Augsburg? Ich bin’s nicht!

Verfasst am: 01.04.2013 | Autor: Florian Kapfer

Der Augsburger braucht den Bezug zur Heimatstadt nicht, um glücklich zu sein. Ganz im Gegenteil, hier ist man vor allem dann begeistert, wenn sich eine Veranstaltung eben nicht anfühlt "wie in Augsburg"...

Bisweilen meint es das Schicksal doch gut mit einem. Zum Beispiel wenn der großangekündigte ZDF-Mehrteiler so schlecht ist, dass man gar nicht anders kann als abzuschalten. Wenn dann noch ein Buch von Kurt Vonnegut in Reichweite ist, verliert selbst der Montag seine Schrecken. Wer sich nun fragt, was der US-amerikanische Schriftsteller mit Augsburg zu tun hat, hat noch nie eine Zeile Vonnegut gelesen und wird schon sehen, was er davon hat. Muss er halt weiter ZDF-Mehrteiler gucken.

Der Augsburger braucht den Bezug zur Heimatstadt sowieso nicht, um glücklich zu sein. Ganz im Gegenteil, hier ist man vor allem dann begeistert, wenn sich eine Veranstaltung eben nicht anfühlt "wie in Augsburg". Notwist auf dem Rathausplatz oder Kraftklub im Wittelsbacher Park waren so Kandidaten. Mitte März gab’s einen ähnlichen Moment: "Ars Dilettanti", die "dezentrale, unabhängige und befristete Kunstansammlung" in der Nähe des Gaswerks, hätte durchaus in eine andere Stadt gepasst, das bestätigten nicht zuletzt die positiven Reaktionen der Künstler von außerhalb. Die uns Einheimische wiederum ein weiteres Mal in unserer Schizophrenie bestärkten. Kein Mensch in Berlin oder München würde auf die Idee kommen, einen schönen Abend so zu beschreiben: Es war, als wäre man woanders gewesen. Das hat durchaus Vonnegut-Qualitäten.

Und es passt ins Bild: Was denken wohl Touristen, wenn sie unsere Stadtbusse sehen mit der Aufschrift „Ich bin nur Ersatz“ oder „Ich springe nur ein“? Hoffentlich folgern die Gäste nicht daraus, dass öffentlicher Nahverkehr in Augsburg noch eine solch erklärungsbedürftige Ausnahmestellung einnimmt bzw. zeitlich begrenzt ist, die Busse also zum Beispiel nur während der papstlosen Zeit verkehren oder in Monaten, die auf -ärz enden. Andererseits passt die Beschreibung „Ich bin’s nicht“ gar nicht so schlecht auf den Verkehr in Augsburg, auch die hiesigen Radwege werden meistens behandelt, als wären sie eigentlich gar nicht da...

Was uns zu der spannenden Frage führt, wer eigentlich in Augsburg die Ansagen macht. Wer hat die Arme drum, die Finger drauf und die Hände drin bzw. wäscht seine Füße in Unschuld, wenn mal wieder die innerstädtischen Regenwälder dran glauben müssen, um die nächste Bausünde an den Start zu bringen. Das wollte letztens auch eine vom Kulturrat organisierte Podiumsdiskussion unter der Überschrift „Wem gehört die Stadt?“ klären – und scheiterte daran in fast schon literarischer Größe. Wie in der DAZ vollkommen zutreffend dargestellt, geriet der Abend im Schwabencenter zum burlesken Trauerspiel zwischen Polts Ansprache vor dem Touristikverband und Loriots Bundestagsrede. Neben der bösen Lokalzeitung war das wichtigste Thema die - zugegeben absolut verdammungswürdige - Schleifenstraße, die in den Augen der auswärtigen Diskussionsteilnehmer zu einem antikulturellen Schutzwallmonster aufgebaut wurde, das offensichtlich ganze Familien trennt und nur nachts unter Lebensgefahr überquert werden kann. Stefan Schipper vom Institut für Humangeografie in Frankfurt zog dementsprechend sein ganz persönliches Schlussfazit: „Ich muss mir unbedingt mal diese Schleifenstraße ansehen.“ Da können Regio und CIA mit all ihren Wasserwegen und Kaufrauschnächten einpacken...

Einer der wenigen sinnvollen Einwürfe kam aus dem Grandhotel in Form einer Bitte an alle Anwesenden, sich dafür einzusetzen, die zeitweise Zwischennutzung von Leerständen zu erleichtern. Eine städtische Stelle, die berät, Genehmigungen in einem absehbaren Zeitrahmen ermöglicht und vielleicht sogar so abgefahrene Sachen draufhat, wie ausleihbare Notausgangsschilder bereitzuhalten (die Dinger sind nämlich schweineteuer), das wäre tatsächlich mal eine Dienstleistung und eine kleine Revolution. Und vielleicht würde dadurch die Politik hautnah erfahren, wie viel sinnvolle und mindestens ebenso viele sinnlose Regeln bereits erlassen wurden, nur damit nicht jede Zehn-Personen-Vernissage zur Loveparade-Katastrophe wird.

Die eigentliche Veranstaltungskatastrophe hat sowieso längst auf der Maxstraße ein umfassend TÜV-geprüftes Zuhause gefunden und deswegen müssen wir alle wahrscheinlich bald wieder um drei Uhr nachts (über die Schleifenstraße) heimgehen. Leuchtende Vorbilder sind Metropolen wie Bamberg, Regensburg und Erlangen. Oder anders gesagt: Augsburg? Ich bin’s nicht! Bob Dylan wäre stolz auf uns...