Ja, ja, ich weiß schon, dass das Internetz die Zukunft ist und wir überall kostenloses Breitband brauchen...
Friedenslied mit Kreistanz

...in Bergheim ebenso wie im Berghain, um es mal überspitzt zu formulieren. Andererseits darf man doch hin und wieder fragen, ob es wirklich so klug ist, nahezu unsere komplette Kommunikation über einen privaten, börsennotierten Anbieter abzuwickeln, vor dessen Verwendung deutsche Verbraucherzentralen warnen.
Das Blöde an all der berechtigten Facebook-Kritik ist aber natürlich, dass so ziemlich alle Konkurrenzangebote abkacken, schon allen wegen der mangelnden Teilnehmerzahl. Doch auch andere Online-Plattformen haben schöne Töchter. Zum Beispiel die Homepage der Stadt Augsburg, auf der Bürger einen Monat lang ihre Gedanken zum »Stadtentwicklungskonzept« formulieren durften.
Es versteht sich von selbst, dass unter den rund 800 Einträgen einige skurrile Perlen zu finden sind, wie die »Erweiterung von Bergheim« oder die Schaffung eines »Friedenslieds mit Kreistanz«. Am besten hat uns allerdings der Beitrag des Users mit dem bezeichnenden Pseudonym »Wahrscheinlich zu spät« gefallen, der kurz vor Eintragungsstopp noch schrieb: »Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe eine Zugangsberechtigung bis 4. Dezember 10:26 erhalten. Ich werde heute Abend noch etwas schreiben, aber vor heute 18:00 Uhr schaffe ich es nicht mehr.«
Damit befindet sich unser Nutzer jedoch in bester Gesellschaft – zumindest wenn es um die geplante Fusion der Stadtwerke Augsburg mit Erdgas Schwaben geht. Das scheinen auch viele Stadträte nicht mehr zu schaffen, große Teile der Opposition sind zumindest skeptisch. Die Grünen im Prinzip auch, trauen sich aber nicht so richtig aus der Deckung und wollen jetzt dem Bürger die Entscheidung überlassen, die Versorgung desselben mit Informationen aber denjenigen, auf deren Mist die ganze Sache gewachsen ist, also Stadtregierung und Stadtwerken.
Und jetzt wird’s lustig: Die Augsburger CSU hat ausgerechnet ihren Hospitanten von der FDP losgeschickt, um die Fusion zu verteidigen, was Markus Arnold natürlich gerne übernimmt. Der Mann ist ja froh, etwas zu tun zu bekommen, wenn er schon zweimal pro Woche ins Rathaus schlappen muss, wie er auf seiner Homepage burnoutbedroht berichtet. Weiterhin verkündet Arnold dort mit dem Selbstbewusstsein einer erigierten Semmeltaste: »Für mich ist die FDP das gelbe Öl, das den schwarzen Motor auf Hochtouren bringt.« Bernd Kränzle würde den Leichtmatrosen vermutlich eher als »magentafarbenen Duftölzusatz im Lufterfrischer« bezeichnen, aber gut...
Andere Parteien sind da sowieso schon viel weiter: Die Augsburger SPD zum Beispiel, die weiterhin mit einem zünftigen »Zur Sonne, zur Aufwandsentschädigung!« auf den Lippen am eigenen Untergang schraubt. Oder wie sollen wir diesen Eintrag auf der Facebookseite der hiesigen Sozialdemokraten deuten? Im Dezember hieß es da anlässlich des Geburtstags von Willy Brandt: »Ein Vorbild für viele wäre heute 101 Jahre alt geworden. Mögen ihm viele nachfolgen, die ebenfalls ein Vorbild für die Fragen auf der Höhe der Zeit sein können.«
Das muss man schon zweimal lesen, um dann auch nichts zu verstehen. Nachfolgen in was? Ins Grab? Und wie genau definiert man Menschen, die »ein Vorbild für die Fragen auf der Höhe der Zeit« sind? Dass die Genossen in Augsburg weder Vorbild noch auf Höhe der Zeit sind, hat die Initiative »Kollege Hund« von Heinz Paula im Bundestag eindrucksvoll gezeigt.
Doch zurück zu Facebook. In wunderbarem Widerspruch zum Firmennamen geht es hier ja eben nicht darum, jemandem etwas ins Gesicht zu sagen, sondern hintenrum und dann ordentlich. Das praktizieren in Augsburg gerade zwei Gruppen aufs Unterhaltsamste, die sich um den Slogan »Wir sind Augsburg« balgen wie der Teufel um die liebe Seele. Wobei beide Parteien betonen, keine zu sein, was bei dem Journalist Peter Hummel noch einigermaßen einleuchtet. Dass aber die WSA, die »überparteiliche Bürgervereinigung« von Peter Grab und Anna Tabak, keine Partei sein will, sondern nur »eine echte Alternative zur bestehenden Parteienlandschaft«, nötigt uns doch etwas mehr Phantasie ab.
Doch auch hier hilft ein Blick ins Facebook, wo die WSA-Vereinssatzung veröffentlicht wurde. Da steht zum Beispiel: »Der Verein nimmt an den Kommunalwahlen in Augsburg mit unabhängigen und parteilosen Kandidatinnen und Kandidaten ihres Vertrauens teil.« Auf wen sich wohl »ihres« bezieht? Doch es geht noch weiter: Die Ziele des »religiös neutralen« Vereins sollen u.a. verwirklicht werden »durch eine Zusammenführung der an der gesellschaftspolitischen Entwicklung der Stadt Augsburg und ihrer Region interessierten Bürgerinnen und Bürger im Sinne der Hinwirkung auf den sozialen Frieden in der Gesellschaft sowie guter Lebensverhältnisse.« Alles klar?
Mal abgesehen davon, dass die vierzig Leute, die diesen hanebüchenen Blödsinn unterzeichnet haben, vielleicht lieber nicht unsere schöne Stadt repräsentieren sollten, könnte man sich auch fragen, ob ein Gericht, das so eine Satzung durchgehen lässt, nicht auch schon geistig neutral unterwegs ist. Liegt aber vermutlich alles nur daran, dass sich die Faschingshochburg Augsburg bereits kollektiv auf den großen Kehraus freut. In diesem Sinne: Seien Sie auch dieses Jahr wieder dabei, wenn es heißt: »Wolle mer se rausschmeiße?!«