Glück auf, Europa!

Verfasst am: 01.04.2017 | Autor: Florian Kapfer

Es hätte so schön sein können. Und so einfach. Und so sinnvoll...

Es hätte so schön sein können. Und so einfach. Und so sinnvoll. Die Idee, Europas komplette Jugend mit Erreichen des 18. Lebensjahres kostenlos auf die Reise zu schicken mittels eines von der EU spendierten Interrailtickets, ist so grundsympathisch, dass man sich echt wundern muss, warum vorher noch niemand draufgekommen ist. Eine Zeit lang sah es auch gut aus, nachdem sich Politiker wie der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber und die einstige Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan hinter die Idee der beiden Studenten Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer gestellt hatten.

Doch die große Sphinx in Brüssel, die EU-Kommission, hat im März die Idee mit einem lapidaren Verweis auf die Kosten beerdigt. Statt 2,5 Milliarden Euro gibt’s jetzt 2,5 Millionen Reisekostenzuschuss für Jugendliche, die sich über Schulprojekte qualifizieren müssen. Salopp gesagt: Statt Tschick und Lucy auf die Piste nach Amsterdam und Istanbul zu schicken, dürfen jetzt Hanny und Nanny und ihre Streberkumpel zum Feiern nach Friedrichshain fahren.

Man muss Europa schon sehr lieben, um das Gezerre überhaupt noch ertragen zu können. Auf allen Kanälen wird seit Monaten das Ende der Europäischen Union an die Wand gemenetekelt, mittlerweile glauben es sogar die Leute, die Jean-Claude Juncker lange für einen Actionhelden hielten. Nur mühsam setzt sich zurzeit die Initiative »Pulse Of Europe« in Bewegung, die im Vorfeld des 60. Jahrestags der Römischen Verträge aktiv wurde. Wie schön wäre es gewesen, die EU-Kommission wäre mit »Free Interrail« diesen schon etwas verzweifelten Enthusiasten entgegengekommen und hätte ein leicht verständliches und durchweg positives Beispiel von übernationaler Zusammenarbeit gesetzt.

Klar, 2,5 Milliarden Euro sind viel Kohle und der Verweis auf die Kosten der Bankenrettung ist tatsächlich ein alter Hut, aber es stimmt halt trotzdem. Noch dazu sind diese angenommenen Interrailkosten höchst umstritten und beruhen wohl auf der Milchmädchenmethode, die Zahl der Jugendlichen mit den regulären Kosten des Tickets zu multiplizieren – angesichts der Tatsache, dass die meisten Bahnen in Europa in staatlicher Hand sind, ein ziemlicher Quatsch. Darüber hinaus ist diese Knickerigkeit ein weiterer Schlag gegen die Bahn als Verkehrsmittel. Macht ja nix, wir haben ja noch ein Europa im Keller.

Es gibt viele gute Ideen, Europa mit einfachen Mitteln wieder in die Köpfe der Menschen zu bringen. Ein schlauer Mensch hat letztens einen europäischen »Tatort« ins Gespräch gebracht. Klingt banal, aber wäre doch klasse, auch mal Ermittlern in Budapest und Lissabon beim Lösen ihrer kleinen und großen Fälle zuzusehen – und vermutlich würden die Griechen und Italiener die Flüchtlingsthematik etwas anders darstellen als die deutschen, österreichischen und Schweizer Autoren.

Im »World Happiness Report 2017« belegen europäische Länder die ersten sechs Plätze von insgesamt 155. Okay, Spitzenreiter ist Norwegen und abgesehen von der Schweiz sind die Topnationen alle Nordeuropäer, während sich Spanien, Italien und Griechenland an 34., 48. und sogar erst 87. Stelle finden. Exportweltmeister Deutschland steht auf Rang 16 – jetzt bräuchten wir nur noch jemanden, der uns hilft, Glück zu exportieren statt Waffen und Sparprogramme.

Okay, das war jetzt sehr naiv, vielleicht genügt es ja schon, öfter mal wegzuhören, wenn wieder erzählt wird, die Welt sei »aus den Fugen«, wie es unsere frischgekrönte Bundeseule Frank-Walter Steinmeier formuliert hat. Ganz ehrlich: Wann war die Welt denn nicht aus den Fugen? Wann hat denn der Mensch mal nicht alles getan, um seinen Schwestern und Brüdern das Leben zur Hölle zu machen? Nur weil die Fugen weniger sichtbar sind, heißt das doch nicht, dass alles, was sich dahinter verbirgt, nicht mehr da wäre. Ganz im Gegenteil, über den Rost zu lackieren fällt spätestens beim TÜV auf und dann wird’s unangenehm.

Jeder ist seines Glückes Schmied, sagt der Volksmund. Na dann: Schmieden wir das Glück, so lange es noch heiß ist. Und zwar zügig. Am 02. April trifft sich »Pulse of Europe Augsburg« um 14 Uhr auf dem Rathausplatz. Wäre doch ein guter Anfang. Glück auf!