Kanu für alle!

Verfasst am: 01.11.2012 | Autor: Florian Kapfer

Es gärt am Hochablass, obwohl das Kraftwerk noch gar nicht fertig ist. Da genügt sogar ein Stein, der nicht einmal ins Wasser, sondern nur ins Gras geworfen wurde...

Im Karl-Heinz-Englet-Gedächtnishain am Eiskanal zeigt sich der frühere Leitgedanke von Pro Augsburg - „Kanu für alle“ - nun in seiner dramatischsten Konsequenz. Wobei es uns ehrlich gesagt reichlich wurst ist, wer 1972 die Fackel ins olympische Korn geschmissen hat und ob er dafür ein Denkmal bekommt oder eine Ordnungsstrafe. Das Schöne daran: Im folgenden Steinchenstreit hat Pro Augsburg wieder eine dieser wundervollen Pressemitteilungen rausgehauen, die immer so schön an unseren früheren Bundestrainer, Sir Erich „Seneca“ Ribbeck, erinnern. Als Antwort auf einen Artikel in der DAZ heißt es da: „Offenbar hat der Verfasser unkritisch Äußerungen Dritter sofort geglaubt, ohne sich bei den Betroffenen nach dem Wahrheitsgehalt der Aussagen dieser Dritter zu erkundigen.“ Also wirklich, wie kann man nur? Äußerungen Dritter sofort unkritisch glauben - unverzeihlich! Man könnte ja wenigstens ein paar Minuten warten, bis man sie unkritisch glaubt, oder sie wenigstens in ausreichendem zeitlichen Abstand kritisch glauben. Überhaupt: Diese verdammten Dritten! Wo die nur immer herkommen?

Dabei ist unsere schöne Stadt selbst eine Dritte. Und als drittgrößte Stadt Bayerns hängt man halt gerne zwischen den Stühlen. Ein weiteres Beispiel dafür bot die diesjährige Verleihung des Augsburger Medienpreises. Wenn in einer Stadt, in der es von ausgezeichneten Werbeagenturen und Design-Awards sammelnden Studenten nur so wimmelt, die Erfinderin von leuchtenden Zirbelnüssen am Stiel mit dem „Medienpreis“ (Motto: „Bring Augsburg in die Welt, bring die Welt nach Augsburg“) ausgezeichnet wird, beschleicht einen manchmal das Gefühl, so manche wollen die Welt gar nicht hier haben. Anders ist doch auch diese als „Fuggerexpress“ getarnte Ansammlung schlechten Geschmacks auf Rädern nicht zu erklären, oder?

Etwas unschlüssig sind wir da noch beim Theater Augsburg und seiner Brechtbühne. Denn wirklich einladend ist der Ex-Container ja nicht gerade: Draußen strawanzt die Jugend um den liebevoll auf der Mauer beim Rollstuhlfahreraufzug platzierten, mobilen Single-Aschenbecher, drinnen schreitet der Theatergänger gebeugten Hauptes durch die hohle Gasse zu seinem Sitzplatz in dem sicheren Wissen, dass ihn die bespielbare Sparkassenfiliale höchstwahrscheinlich um Jahrzehnte überleben wird. Gerüchten zufolge soll es beim Einlass zum jüngsten Jelinek-Stück schon zu gereckten Fäusten und „Juliane, der Kampf geht weiter!“-Ausrufen gekommen sein. Und wie bei der Titanic selig fragt man sich, wer einmal Platz nehmen darf im Rettungskanu der Hochkultur, wenn das Große Haus endgültig die Grätsche macht - Sponsoren und Stadträte zuerst?

Verhindert werden könnte das wohl nur durch die Ausrufung der Räterepublik in München. Lachen Sie nicht, Jürgen Rollmann hat schon ganz andere Sachen geschafft! Wundern würde es uns jedenfalls nicht, wenn der neue FCA-Manager und frühere SPD-Pressesprecher nicht nur den Verein zur deutschen Meisterschaft führt, sondern auch Christian Ude zum Wahlsieg im Freistaat. König von Augsburg würde dann wohl Stefan Kiefer, der vermutlich sofort als Kopf einer hochrangigen Delegation nach München reist. Und jetzt wird’s arno-löblich: Der feierlich geschmückte Fuggerexpress wird die Landeshauptstadt nie erreichen, in Haspelmoor verliert sich die Spur der ahnungslos zechenden Augsburger Sozialdemokraten. Jahre später werden alle drei aus den Händen der Biermösl Blosn befreit. Kurzzeit-Bürgermeister Stefan Ohnestadt kommentiert weltmännisch: „Well, that’s life.“

Was im führungslosen Augsburg passieren würde, ist schnell zusammengeknoppelt: Nach der Erstürmung des Haltestellendreiecks am Kö durch aufgebrachte VGA-Kunden wird der Stadtrat durch den Augsburger Jazzclub ersetzt. Die nun folgende Schreckensherrschaft, „La Grande Törör“, wird erst durch einen jungen, aufstrebenden General beendet, der nach seinen erfolgreichen Eroberungen im Augsburger Westen endlich wieder für stabile Verhältnisse in der Fuggerstadt sorgt. Stargäste bei Tommy Lindners Kaiserkrönung im ehemaligen Stadttheater, jetzt ein gutgehendes Asphaltmischwerk, sind Hank Davison und Doro Pesch. Zeremonienmeister Karl-Heinz Entgelt überreicht in der Stadtmitte den Medienpreis an einen altgedienten CSU-Granden mit den Worten: „Im Dezember 2011 fackelte Tobias Schley nicht lange hier am Königsplatz. Das war die Geburtsstunde der Taxischlägerei als olympische Sportart.“