R.I.P.: KuSpo

Verfasst am: 01.05.2014 | Autor: Florian Kapfer

Auf die kommenden sechs Jahre in Augsburg darf man gespannt sein – und vielleicht auch ein bisschen euphorisch...

Traurig, aber schade: Euphorie und Politik sind zwei Worte, die einfach nicht so richtig zusammenpassen wollen. Wenn ich mich richtig erinnere – und das ist bei dem Thema gar nicht so schwer – war ich das letzte Mal aufgrund einer Wahl euphorisiert nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün im September 1998, als der spätere Erdgasveredler Gerhard Schröder den personifizierten Mehltau Helmut Kohl ablöste und statt Biederblüm und Seltersseiters plötzlich streitbare und redegewandte Leute wie Joschka Fischer oder Oskar Lafontaine ihre rotweinerhitzten Rüben in die birnebefreiten Kameras hielten. Man kann über die folgenden Jahre bis 2005 geteilter Meinung sein, aber dieses deutsche »Ja, wir konnten« war definitiv ein einschneidendes Erlebnis, zumal Angela Merkel längst in die Fußstapfen des Einheitsbreikanzlers getreten ist und dessen sechzehn Jahre vielleicht sogar überbieten wird.

Ob der wiedergewählte Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl Ähnliches erreicht, bleibt abzuwarten, doch hat die aktuelle Regierungsbildung nach der Kommunalwahl im März mit der Kooperationskoalition von CSU, SPD und Grünen durchaus das Potential, als einschneidende Veränderung in die Annalen der Stadt einzugehen.
Dazu gehört natürlich auch, dass im Vorfeld viel von Verrat gemenetekelt wurde. Das ist vollkommen normal, die Sozialdemokraten sind nach Fußballschiedsrichtern sowieso die deutsche Bevölkerungsgruppe, der am allerliebsten Verrat vorgeworfen wird, und dass die Grünen nicht mehr das sind, was sie zu Wackersdorf-Zeiten mal waren, ist ja auch altbekannt.

Bei der Unterzeichnung der Verträge und Vereinbarungen zwischen den Vertretern von CSU, SPD und Grünen ist viel darauf hingewiesen worden, dass damit der Wählerwillen der meisten Augsburger erfüllt werde, was natürlich eine gewagte, wenn auch naheliegende Argumentation ist. Wenig überraschend war schließlich der Hinweis auf die zahlreichen großen Projekte, die eine große Mehrheit benötigen würden. Interessanterweise stand bei allen drei Parteien nicht der Bahnhofsumbau oder das marode Stadttheater ganz oben auf der Liste, sondern die Schulsanierung.

Von den konkreten Projekten mal abgesehen, ließ eine Aussage des Umweltreferenten in spe, Reiner Erben, aufhorchen. Laut dem OB-Kandidaten der Grünen beruht die vereinbarte Zusammenarbeit auf der Frage »Wie soll die Stadt aussehen?« und einer grundlegenden Übereinkunft über die notwendigen Schritte zu einer »nachhaltigen und modernen« Entwicklung in den kommenden sechs Jahren - auch wenn es bei einigen Punkten noch Diskussionsbedarf gäbe. Und genau diese Diskussionen waren wohl ebenfalls Thema bei den Koalitionsverhandlungen. »Eine neue Kultur der politischen Auseinandersetzung« strebe man an, so Kurt Gribl. Darauf dürften Erben und seine Mitstreiter in Zukunft besonders achten (hoffentlich auch gegenüber der Opposition), schließlich waren es vor allem die Grünen, die nicht müde wurden, den Kommunikationsstil der bisherigen Regierung aus CSU und Pro Augsburg zu kritisieren.

Der Rest ist dann irgendwie auch Geschmackssache, aber wenn ich mir aus dem aktuellen Stadtrat die Personen hätte aussuchen dürfen, denen ich gerne Verantwortung ins Körbchen gelegt hätte, wären die nun Beteiligten mit Sicherheit nicht unter den Letzten gewesen. Da empfindet man am Ende des Tages sogar fast ein bisschen Sympathie für den Stadtrats-Oldie Bernd Kränzle von der CSU, der die Übereinkunft in aller Bescheidenheit als »Geburtsstunde kommunalpolitischer Brillanz« bezeichnete. Bezeichnenderweise lobten sogar Mitarbeiter der Stadtverwaltung die neue Mannschaft bereits im Vorfeld und der Wechsel im Kulturreferat von Peter Grab auf Thomas Weitzel hat in Augsburg ein Aufatmen ausgelöst, das vermutlich nicht nur bis nach Ludwigshafen zu hören war.

Doch wie immer muss es einen geben, der als personifizierte Euphoriebremse daherkommt. Diese Rolle, in der Fachsprache als »Arschkarte« bezeichnet, übernimmt der neue Ordnungs- und Sportreferent der SPD, Dirk Wurm. Über den bisherigen Fraktionsgeschäftsführer und Beinahe-Förstermörder hat man in den letzten Wochen so viel Gutes gehört wie über die Vogelgrippe oder die Leistung von Bert van Marwijk beim HSV. Das Beste war da noch, dass Wurm in seinem Verantwortungsbereich nicht allzu viel Schaden anrichten könne.

Doch davon lassen wir uns den Glühwein mal nicht vermiesen. Auf die kommenden sechs Jahre in Augsburg darf man auf jeden Fall gespannt sein – und vielleicht auch ein bisschen euphorisch. Okay, okay, Sie müssen nicht, aber ganz ehrlich: Reicht nicht schon der Abschied von KuSpo, um die Glückshormonausschüttung anzukurbeln?