Sag beim Abschied leise: "Feuer!"

Verfasst am: 01.06.2016 | Autor: Florian Kapfer

Der Mai 2016 wird als der Monat in die Geschichte Augsburgs eingehen, an dem die Sicherheitsbehörden das Schild "Bis hierher und nicht weiter" ans Große Haus gehängt haben...

War natürlich Zufall, dass ausgerechnet an dem Tag, an dem in Deutschland »Schockbilder« auf Zigarettenpackungen eingeführt wurden, die Stadtspitze in Sachen Theater zu einem ähnlichen Mittel griff. Die Fotos von der Aktion im Großen Haus, bei der die Feuerwehr probeweise Rauch in den Raum unter dem Zuschauersaal einblies, um mal zu sehen, wo der Qualm wieder rauskommt, bildeten quasi den Beweis für die Entscheidung, das Haus am Kennedyplatz ein Jahr früher zu schließen als geplant. Am 19. Juni fällt nun der für lange Zeit letzte Vorhang.

Der Mai 2016 wird als der Monat in die Geschichte Augsburgs eingehen, an dem die Sicherheitsbehörden (endlich?) das Schild »Bis hierher und nicht weiter« ans Große Haus gehängt haben. Angesichts des möglichen Bürgerbegehrens und der hitzigen Sanierungsdiskussion ein bemerkenswerter Zeitpunkt. Wurden die Experten, wie von Kritikern vermutet, von der Stadtregierung gedrängt, oder haben sie diese Sicherheitslücke tatsächlich erst jetzt entdeckt?

Es ist wirklich schwer zu glauben, dass seit dem Wiederaufbau in den 50ern kein Mensch mehr in diesen Zwischenraum unterm Parkett geguckt hat, in dem auch Kabel verlegt sind. Selbst dessen Funktion ist umstritten, laut Stadtbaurat Merkle wird hier die Luft eingesaugt, gemäß Oppositionslautsprecher Volker Schafitel wird sie ausgeblasen. Für Verwunderung sorgte aber auch die beruhigend gemeinte Aussage des Augsburger Branddirektors, dass mehreren Bauabschnitten, inklusive dem Bühnenturm, eine höhere Feuerfestigkeit zu attestieren sei als bisher vermutet. Der Brandschutz ist seit Jahrzehnten ein heißes Thema im Theater – und keiner schaut nach, wie heiß die Sache wirklich werden könnte? Gruslig.

Bei der finalen Pressekonferenz kämpfte Intendantin Juliane Votteler mit den Tränen und berichtete herzergreifend, wie sehr die Angst vor einem Brand in den Köpfen von Theatermitarbeitern überall auf der Welt stecke. Das frischrenovierte, legendäre Opernhaus »Teatro La Fenice« in Venedig sei kurz vor Wiedereröffnung wegen kleiner Schweißarbeiten »bis auf den letzten Stein« abgebrannt, so Votteler.

Vermutlich war ihr in dem Moment gar nicht klar, was die vorherigen Ausführungen der Stadtpolitiker und Experten im Umkehrschluss bedeuten für die Zustände, unter denen sie nun fast zehn Jahre lang gearbeitet hat. Im Theater Augsburg ist demnach zu vermuten, dass man bei Schweißarbeiten nicht mal wusste, ob die Decke oder die Wand, an der gewerkelt wird, nun brennt wie Zunder oder vielleicht doch brandhemmend ist. Gruslig.

Dass noch während der Pressekonferenz die erste verwunderte Mitteilung eines oppositionellen Stadtrats eintrudelte, der von der Schließung per Facebook erfahren hat, wundert da nicht weiter, das ist der übliche Umgang der Stadtregierung mit dem Stadtparlament. Übrigens im Gegensatz zur Intendantin, die nach eigener Aussage noch am Vorabend eiligst versucht hat, Mitarbeiter, Schauspieler und Regisseure zu unterrichten, um eben genau das zu verhindern.

Bei den aktuellen Geschehnissen im Theater ist es fast unmöglich, nicht in Unterstellungen abzurutschen. Der Volksmund nimmt da wesentlich weniger Rücksicht. Es ist ein Trauerspiel: In einer Art Panikreaktion wurde nun das zwar in die Jahre gekommene, aber bis dahin stolze Haus am Kennedyplatz vollends sturmreif geschossen - die alte Fregatte muss schleunigst ins Trockendock, um nicht vollends abzusaufen samt ihrer todesmutigen Mannschaft. Wie gesagt: Schockbilder. Und damit verbunden die Hoffnung auf eine Rückkehr von Ruhe und Sachlichkeit in der Debatte. Denn eines sollte nicht vergessen werden: Auch die Schmierereien an der Buchhandlung des Sanierungskritikers Kurt Idrizovic sind: Schockbilder.