Auf dem Flohmarkt findet man so allerhand - unter anderem den glücklichsten Menschen der Welt...
Schluss mit Laub
Erinnern Sie sich an das vorletzte Wochenende im Oktober? Diese Reminiszenz an den Sommer 2014 brachte noch einmal Spitzentemperaturen, im Kuhsee wurde gebadet, bis elf Uhr nachts saßen die Menschen vor den Cafés dieser Stadt. Die Leute brachten Getränke in die Biergärten mit, um in den Schlangen am Verkaufsstand nicht zu verdursten, und als Judith Bohle ihren Auftritt im »Polizeiruf« erfolgreich absolviert hatte, musste der ein oder andere Zuschauer nicht geweckt, sondern gekühlt werden.
Fürwahr, die Welt war an diesem Wochenende voll glücklicher Menschen, doch ich schwöre Ihnen, ich habe den glücklichsten unter ihnen gesehen! Dieser Zeitgenosse auf dem Flohmarkt am Kobelweg war der Gustav Gans unter den Schornsteinfegern, der »mit Zusatzzahl« unter den Lottosechsern, der Lukas unter den Lokomotivführern, der Dalai unter den Lamas. Mit seinem strahlenden Gesicht hätte man die Energiewende meistern und Ebola heilen können. Der etwas untersetzte, geschätzte Mittfünfziger stand seelenruhig in einer ebenfalls beeindruckenden Schlange am Bäckerstand, doch die koffeinsüchtige Masse vor ihm konnte seiner Laune kein Härchen krümmen. Grund dafür war offensichtlich das soeben erworbene Gerät: Fest an die Seite gepresst, mit beiden Armen liebevoll umfasst und von den Fingern zärtlich liebkost, prangte ein Laubbläser an seiner Hüfte. Kein Kurde in Kobane mit frisch eingetroffener Kalaschnikow konnte glücklicher aussehen!
Und als ob es Gott tatsächlich geben würde, folgte auf das traumhafte Wochenende der erste heftige Herbststurm des Jahres. Wir können uns nur vorstellen, wie das Herz unseres kleinen Hausmeisterchens pochte, als er nachts hörte wie die Blätter zu tausenden von den Bäumen gerissen wurden. All diese Blätter, die er am nächsten Morgen (und am nächsten und am nächsten) jagen würde wie der Teufel die Seelen der bayerischen Grünwähler!
Umso härter muss ihn eine Bekanntmachung aus dem Augsburger Umweltreferat am Ende derselben Woche getroffen haben. Offensichtlich hatten sich ein paar dahergelaufene Zivilisten über die mit »Laubbläserei« nur unzureichend beschriebene Kunst der Blattbekämpfung beschwert und so versicherte der grüne (war ja klar) Umweltreferent eilig, dass seine Angestellten »so wenig wie möglich« auf Hausmeisters Liebling zurückgreifen würden. Das alleine wäre noch hinzunehmen gewesen, doch was nun folgte, war ein Katalog an Unterstellungen, der jedem anständigen Facility Manager den Ohrenschutz vom Helm hauen musste: Der Lärm der Laubbläser käme dem eines Presslufthammers gleich, die Motoren würden hohe Schadstoffemissionen und reichlich Feinstaub verursachen, ja sogar der Luftkeimgehalt würde steigen, bestenfalls seien es nur Blütenpollen, aber auch gern Mikroorganismen aus Hundekot.
Mahlzeit, dachte sich unser Hausmeister.
Dass die Stadt weiterhin empfehle, Laub wenn möglich verrotten lassen, nicht bei feuchtem Wetter zu blasen und ganz generell das Gerät (hört! hört!) »sinnvoll« einzusetzen, nahm er schon gar nicht mehr wahr. Denn die richtig harten Fakten standen natürlich am Ende dieser beispiellosen Schmähschrift in Gestalt der Augsburger Lärmschutzverordnung, die den Einsatz von »lauten Gartengeräten« für Privatpersonen nur zwischen sieben und zwölf bzw. 14 und 20 Uhr erlaubt.
Allein das Wort Gartengerät ist natürlich ein Skandal. Das ist, als ob man Fußball als Freizeitbeschäftigung bezeichnen würde! Und es kam noch dicker: Besonders laute Exemplare sind zusätzlich durch die Bundesimmissionsschutzverordnung in ihrer Handhabe begrenzt. Das Fazit des Umweltreferats in seiner unnachahmlichen Diktion: »Demzufolge darf beispielsweise der Laubbläser von der Augsburger Privatperson nur zwischen 9 und 12 Uhr und zwischen 15 und 17 Uhr betrieben werden.« Wie man in diesem lächerlichen Zeitfenster den Massen an Laub Herr werden soll, sagte einem mal wieder keiner...
Wir verlassen hier den nun nicht mehr ganz so glücklichen Hausmeister und wenden uns vertrauensvoll an all die anderen Bläserensembles dieser Stadt, die sich noch nicht im Heimwerkerraum mit ihren Pulsadern beschäftigen: Habt ihr das gehört, ihr Freiluftterroristen? Ab neun! Bis zwölf! Ab drei! Bis fünf! Das war's! Daaaaankeeee!!!!