Wenn du geschwiegen hättest, Eva! Augsburgs Wirtschaftsreferentin und die Sache mit der Veronika über den Altstadtdächern...
Ein Stenz namens Veronika

Wir wissen nicht, ob Eva Weber einen Waffenschein besitzt, doch angesichts ihrer Treffsicherheit muss man davon ausgehen, dass Augsburgs Wirtschaftsreferentin keine Anfängerin am Schießstand ist. Nur an der Zielauswahl muss sie noch ein bisschen feilen, das eigene Knie macht halt auch nicht alles mit. Was für eine Aufregung das Wirtschaftsreferat mit seiner Anzeige in der Münchner Abendzeitung ausgelöst hat, hätte im Vorfeld wohl kaum jemand für möglich gehalten. Und genau darin liegt der eigentliche Fehler der Referentin: das Empörungspotential in der Heimat nicht zu erkennen, wenn man in der Landeshauptstadt als billiger Jakob auf Neubürgerfang geht.
Klar war, dass das Ding nicht unbemerkt bleibt. Klar war auch, dass sich einige Leute daran stoßen werden. Das kann man riskieren als Politiker. Was man aber wissen und deswegen sehr genau abwägen hätte müssen, ist die Angst der Menschen. Und damit sollte man nun wirklich nicht spielen. Schicksalsschläge wie der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung sind Grundängste des modernen, normal- bis wenigverdienenden Menschen und allein die Vorstellung – und sei sie noch so abwegig –, von Münchner Yuppies aus dem Viertel vertrieben zu werden, bringt einen Augsburger schon mal gründlich auf die Palme.
Ich erinnere mich gut an meine frühere Nachbarin in Pfersee, die mich nach der Bundestagswahl 1998 mit der Frage empfangen hat, ob ich auch die Sozialdemokraten gewählt hätte, schließlich wohne man in einem Arbeiterviertel. So etwas ist mittlerweile zwar fast schon Folklore in der einstmaligen Arbeiterstadt, aber es ist – zum Glück! – längst noch nicht völlig verschwunden.
Was außerdem mehr als sauer aufstößt, ist diese anbiedernde Art und Weise, in der Anzeige den Geiz-ist-geil-Trumpf zu ziehen. Eine Stadt, die sich angeblich vor lauter Dachmarken kaum retten kann, als Mietschnäppchen anzupreisen à la »Hier is zwar nix los außer schönen alten Häusern, dafür is es billig«, ist nicht nur schädlich in der Außenwirkung, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der vielen Augsburger, die sich privat und öffentlich dafür einsetzen, die Stadt kulturell zu beleben.
Da bleibt nur die Hoffnung, dass sich die potentiellen Ex-Münchner von der Augsburger – na, sagen wir mal – Unbeschwertheit im Bauwesen abschrecken lassen. Allein das von den Grünen als »Reichenghetto« titulierte Gebiet am Arsch der Maxstraße ist so hässlich ist, dass sich nicht mal Münchner Mietflüchtlinge drauf einlassen dürften. Bezeichnenderweise hat Eva Weber ja auch keine dieser unsäglichen Neubauschachteln als Hintergrund für ihre Veronika gewählt.
Und wenn sich ein potentieller Neubürger anhand von Youtube-Videos über Augsburg informieren sollte, ist sowieso alles aus. Ich werde nie verstehen, wie man sich mit solcher Begeisterung und solchem Aufwand als grenzdebile Datschifresser und weißbiersaufende Hinterwäldler darstellen kann. Das geht von lokalen Musikern übers Kabarett bis zu den einschlägigen Produktionen hiesiger Radiosender. Aber wenn das Gangnam-Gehampel der Augsburger Stadtprominenz dazu dient, uns die Münchner vom Leib zu halten – gerne mehr davon!
Foto: Marcus Ertle; Idee: In Gute Hände