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Verfasst am: 01.03.2017 | Autor: Florian Kapfer

Lieber Herr Merkle...

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn unser Baureferent davon spricht, dass ein paar Plakatständer an den Ausfallstraßen das Stadtbild verschandeln würden. Lieber Herr Merkle, ich könnte Ihnen etliche andere Sachen zeigen, von denen man dasselbe behaupten kann, nur leider kann man die nicht mit einem Federstrich der Verwaltung vom Tisch wischen, denn die sind noch bewohnt. Dass man sich zum Beispiel an die Betonwüste auf dem einstigen Hasenbräu-Gelände direkt neben der Maxstraße gewöhnt hat, heißt ja nicht, dass die grauen Plattenbauwiedergänger schöner geworden wären.

Die »Augsburg Wall« am Haltestellendreieck und das Klohäuschen mitten auf dem Königsplatz haben auch einen ganz speziellen stadtbildprägenden Charakter und in so manchem Gruselklotz wird sogar Fußball respektive Eishockey gespielt. Und wer sich in Augsburgs liebstem Naherholungsgebiet am Kuhsee umschaut, fragt sich, ob es wirklich klug war, die Umgebung des Hochablasses nach Fertigstellung des Wasserkraftwerks in den Originalzustand aus der Zeit des Lechhochwassers von 1910 zurückzuversetzen.

Man versteht es wirklich nicht: Vor bald zehn Jahren hat der erste Popkulturbeauftragte sein Amt angetreten, in letzter Zeit haben sich vermehrt neue Kulturinitiativen formiert, die in Augsburg etwas bewegen wollen, es gibt einen Kreativwirtschaftsbeauftragten, die Stadtwerke sind heilfroh, dass sie endlich eine Idee haben, ihren Ladenhüter Gaswerk sinnvoll zu bespaßen – nämlich mit Kreativen –, die »freie Szene« wird bei jeder Theaterdiskussion in jedem zweiten Satz hofiert (und wurde nun ja auch mit einem höheren Zuschuss bedacht) – und im berühmten stillen Kämmerlein unterzeichnet man dann klammheimlich einen Vertrag, der lokalen Veranstaltern das Leben schwer macht, weil Events nur noch bis zu einer Zuschauerzahl von bis zu 500 beworben werden können.

Und warum noch mal genau? Damit die armen Autofahrer auf den Ausfallstraßen nicht mehr von Künstlern wie Deichkind, Haindling oder Bülent Ceylan belästigt werden? Das kann nicht euer Ernst sein! Auch da würden uns ganz viele, ganz andere Köpfe einfallen, die sich alle paar Jahre an den Straßenrändern tummeln und durch eine Präsenzverknappung sicher nicht signifikant in der Beliebtheitsskala sinken würden, eher umgekehrt.

Aber was reg ich mich überhaupt auf? Jetzt wird's ja doch wieder anders gemacht. Die Augsburger Grünen haben zum Beispiel ganz tolle Ideen wie die Heidelberger Kultursäulen und ähnliches - wie man sie in der regierungsinternen Opposition halt so hat. Blöd nur, dass der Vertrag mit dem Werbemonopolisten schon unterschrieben ist.
Da heißt's nachverhandeln. Macht man in Augsburg sowieso gern, wenn der Puck nicht mehr zu sehen ist oder das schöne neue Pflaster in der Fußgängerzone aus unerfindlichen Gründen dreckig wird, nur weil Leute drüber latschen. Vielleicht sollte man einfach Fußabstreifer an den Stadttoren installieren und den Pendlern rotgrünweiße Sonnenbrillen mit »Und jetzt kuckst du weg«-Aufdruck schenken, quasi als analoge Werbeblocker.

Ehrlich gesagt hätten wir noch eine ganz andere Idee, um den Augsburger Kulturschaffenden unter die Arme zu greifen und gleichzeitig die hiesige Medienlandschaft zu fördern: Die Stadt fördert die Anzeigen, welche die lokalen Veranstalter in Augsburger Zeitungen und Zeitschriften sowie auf vergleichbaren Homepages schalten. Wäre auf jeden Fall besser, als die ganzen schönen Klicks auf dem Zuckerberg zu opfern – und irgendwie sind wir doch alle Kultursäulen, oder?