Tu felix Augsburg dic!

Verfasst am: 28.06.2013 | Autor: Florian Kapfer

Man kann der Augsburger Regierungsmannschaft vieles nachsagen – aber nicht, dass die Damen und Herren das rostige Zepter der ehemaligen freien Reichsstadt im Elfenbeinturm schwingen würden...

Man kann der aktuellen Augsburger Regierungsmannschaft vieles nachsagen – aber nicht, dass die Damen und Herren das rostige Zepter der ehemaligen freien Reichsstadt im Elfenbeinturm schwingen würden. Nach fünf Jahren Schwarz-Orange (nur nebenbei gesagt: mischen Sie das mal zusammen!) kann man sich an die Vorgängerregierung schon gar nicht mehr richtig erinnern, aber wie präsent Grab, Gribl, Ullrich und Co in der Öffentlichkeit sind, dürfte bislang einzigartig sein.

Dass Peter Grab vermutlich mehr facebookt als der komplette Zuckerberg-Clan ist ja hinlänglich bekannt, aber auch per Mail oder Telefon erreicht man den Kulturreferenten zumeist ohne Weiteres. Da werden dann schon mal Interviewfragen nachts bearbeitet und abgeschickt – und am nächsten Tag ruft er an, um zwei minimale grammatikalische Fehlerchen zu korrigieren.

Wenig anders verhält es sich mit unserem Ordnungsreferenten. Volker Ullrich entschuldigt sich sogar nach einer Pressekonferenz per Mail, sich nicht persönlich verabschiedet zu haben, oder gibt am Freitagabend Telefoninterviews im Auto, während er parallel am (vermuteten) Drive-in-Schalter die Bestellung durchgibt.
Und damit nicht genug, der Referent des OB, Uli Müllegger, dessen Plattensammlung bei Umzugsfirmen in ganz Schwaben gefürchtet ist, legt gerne mit Franz Dobler in einer Bar in der Innenstadt auf und Kurt Gribl diskutiert dabei mit Stadtbaurat Gerd Merkle die Songauswahl. Wenig später betritt Wirtschaftsreferentin Eva Weber das Lokal, dicht gefolgt von Grünen-OB-Kandidat Reiner Erben, der sowieso den Anschein erweckt, wesentlich mehr unterwegs zu sein als seine jungen Stadtratskollegen.
Verlass ist da nur auf die alte Tante SPD, außer einem stets mutigen Linus Förster - der vermutlich einzige Augsburger über 40, der noch bunte Hosen trägt - sieht man von der hiesigen Sozialdemokratie nicht viel, mal abgesehen von Reichsbedenkenträger Frank Mardaus, der immer für ein gepflegtes »Ja, aber« gut ist.
Ebenfalls den Mantel der Verschwiegenheit wollen wir über Bernd »Jekyll« Kränzle breiten, der manchmal den Eindruck macht, seine gesellschaftliche Grundausbildung Marke Altherrenhumor noch zu k.u.k.-Zeiten genossen zu haben.

Tja, und dann stehen da ja noch ein paar Wahlen ins Haus und pflichtbewusst wie sie sind, kümmern sich die Augsburger Politiker nun noch verschärfter um ihre aufmüpfige Bürgerschaft. (Wer hat da Augsburger Frühling gesagt?) Vom Stempflesee übers Gaskraftwerk bis zu den Bäumen am Elias-Holl-Platz, ein Aufbegehren jagt das nächste, immer im Schlepptau: die dazugehörige Podiumsdiskussion.

Den Start machte Anfang Juni Pro Augsburg mit einer lustigen Runde zu Richard Mayrs Theaterartikel in der AZ. Später im Monat legten Grüne und SPD nach und baten zur Aussprache über die geplante Asylbewerberbutze in der Ottostraße. Offensichtlich gingen die Oppositionsparteien jedoch davon aus, dass das Thema nur Menschen mit – nennen wir es mal – freier Zeiteinteilung interessiert: Die prominent besetzte Veranstaltung begann am helllichten Nachmittag um vier Uhr, angekündigt waren immerhin die aktuellen Stars der Augsburger Talkshowszene, Ulrike »Wollen wir das, brauchen wir das?« Bahr von der SPD und der Vorsitzende des Integrationsbeirats, Tugay »Wir haben keine Zeit für Theater, wir müssen arbeiten« Cogal.

Wenige Tage danach gestaltete die Augsburger CSU einen Themenabend mit dem etwas sperrigen Titel »Wohnen, Wohlfühlen, Sicherheit und Umwelt - wie wollen wir in unserer Stadt wohnen und leben? Wie bleibt Augsburg sicher?«. Der unter Insidern längst nur liebevoll WWSUUWWWIUSWULWBAS genannte »Bürgerdialog« wurde moderiert von Radiosprecherin Monika Pappelau, die auf ihrer Homepage allerdings etwas knackigere Formulierungen bevorzugt: »Ich bin, was Sie suchen«, schreibt die studierte Soziologin über sich selbst.

Und genau bei dieser Frage - was suchen wir eigentlich? - grätscht wie Hans-Peter Briegel zu seinen besten Zeiten das Rahmenprogramm zum diesjährigen Friedensfest rein. Unter dem Schwerpunktthema »Protest« soll eine »Utopia Tool Box« am Rathausplatz entstehen, in der die Augsburger ihre Visionen abliefern können, »politisch, sozial, wirtschaftlich, spirituell, aber auch ganz praktisch«, wie es in der Ankündigung heißt. Schöne Idee, wie wir finden, funktioniert natürlich nur, wenn Volker Schafitel davon nichts mitbekommt, sonst ist der Visiotainer schon am ersten Abend knallvoll.

Foto Kurt Gribl: Marcus Ertle