Wenn die Welt vor der Tür steht

Verfasst am: 01.01.2015 | Autor: Florian Kapfer

Die Demonstrationen der sogenannten "Pegida"-Bewegung sind so ziemlich das Unnötigste, was uns das Jahr 2014 hinterlassen konnte...

Die Motive der teilweise vorbestraften und durchweg pressefeindlichen Veranstalter sind relativ eindeutig, auch die Sorgen und Ängste der »harmlosen« Teilnehmer, aber das Label, unter dem sich diese Menschen versammeln, ist, da hat Bundesjustizminister Heiko Maas vollkommen Recht, eine Schande für Deutschland und Europa. Und Maas hat ebenfalls richtigerweise die Teilnehmer kritisiert, die sich allzu leicht verführen lassen würden.

Gegen was man alles sinnvollerweise protestieren könnte: Kürzungen im Sozialbereich, in Bildung und Kultur, Umweltzerstörung, Börsenirrsinn, Überwachung – oder vielleicht ja auch mal gegen die Typen, die dafür verantwortlich sind, dass der halbe Erdball auf der Flucht ist, deren Hintergründe und Hintermänner. Das wäre freilich etwas komplizierter. Die beliebte Sündenbockgeschichte ist dann halt doch die beste, nicht wahr? »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«, bekloppter geht’s eigentlich nicht mehr.

Die Liste der Forderungen dieser seltsamen Bewegung passt auf eine Din-A4-Seite und das Fiese daran ist natürlich, dass die meisten von uns einige der Forderungen wohl unterschreiben würden: für mehr Sozialarbeiter in der Flüchtlingsbetreuung, für sexuelle Selbstbestimmung, für die Aufnahme politisch Verfolgter, gegen Radikalismus und Stellenabbau bei der Polizei. Fehlen eigentlich nur noch, für schönes Wetter und gegen miese TV-Krimis zu sein. Außerdem will man Bürgerentscheide nach dem Vorbild der Schweiz, den »Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur« und die »Pflicht zur Integration«.

Womit's langsam spannend wird: Was ist denn die Abendlandkultur und wie schützt man die? Was bedeutet Integration? Kehrwoche für alle? Und wie zum Henker soll man dazu verpflichtet werden? Im Prinzip wollen viele der Demonstranten vermutlich einfach, »die Ausländer« mögen ein bisschen weniger so aussehen und wirken, wie sie halt aussehen und wirken, weil uns das aus diversen Gründen Angst macht. Eine Angst, die aber auch dann nicht verschwinden würde, wenn alle zum Christentum übertreten und Schweinsbraten essen würden oder Plattdeutsch reden und ins Stadion gehen. Also wäre es besser, sie wären nicht da. Ganz einfach. Leider nicht im Jahr 2014 bzw. 2015 – und das hätte »man« in den letzten Jahrzehnten wohl etwas deutlicher formulieren müssen.

Die deutschen Politiker sehen sich mit einem Thema konfrontiert, das hierzulande zwar zu erwarten war, aber eher nicht in dieser Form. So zynisch es klingt: Anschläge wie in Vorra auf zum Glück noch unbewohnte Flüchtlingsunterkünfte waren wohl eher »eingeplant« als der rasante Zulauf bei den Demonstrationen in Dresden. Womit wir auch wieder bei unserer CSU wären, dem jämmerlichen Slogan »Wer betrügt, fliegt« und der Forderung nach einer Deutschpflicht für autofahrende Migranten. Lustigerweise haben gerade die Christsozialen ihren »Leitantrag zur Parteireform« mit dem schönen Titel »CSU baut Zukunft« versehen, der auch nicht gerade nach Deutschleistungskurs klingt...

Aber natürlich sind die bayerischen Musterschüler nicht die einzigen. Da ist allzu viel unterlassen worden und noch mehr unterschätzt. Da kann man noch so viele Studien anführen, wie sehr Deutschland auf Einwanderung angewiesen ist, wie sehr Deutschland davon profitiert, wie sehr man - mal ganz kühn formuliert - stolz darauf sein sollte, ein solch attraktives, humanes und erfolgreiches Land geworden zu sein. Stattdessen haben offensichtlich nicht wenige Bundesbürger Angst. Angst davor, dass die Welt vor der Tür steht. Ohne anzuklopfen. Die Sau. Und plötzlich müssen wir alle wieder Angst haben, dass die letzten 20 Jahre umsonst waren. Dass zu wenig passiert ist – und deshalb wieder was passiert.

Foto: Christian Menkel