Wer verspottet die Spötter?

Verfasst am: 01.03.2015 | Autor: Florian Kapfer

Wolfgang Thierse und der "Fundamentalismus der Satire"...

Dass sich Terroristen zurzeit bevorzugt Karikaturisten vorknüpfen, ist – wäre es nicht so traurig – wirklich eine Ironie der Geschichte. Das Genre war im Prinzip schon längst auf dem Weg alles Irdischen und in etwa so angesagt wie Filterkaffee und Schreibmaschinen. Karikaturen! Tageszeitungen! Satiremagazine! Das klingt doch alles schon so nach Simplicissimus und 30jährigem Krieg, selbst die gleichnamige Zeitschrift hat nur bis 1944 durchgehalten!

Und jetzt sitzen zum Beispiel Wolfgang Thierse und sein Bart in einer Diskussionssendung und wollen ernsthaft die europäischen Satiriker auf Linie bringen. Nein, verbieten will ihnen keiner was, da haben sie alle zuviel Angst vor dem Geist von Kurt Tucholsky (»Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht.«), aber man muss schon mal energisch darauf hinweisen, dass die Schmierfi..., pardon, Zeichner und Texter doch religiöse Aspekte mit mehr Respekt behandeln mögen und, bitte, »Gotteslästerung« wenn möglich vermeiden.

Der Titanic-Chefredakteur Tim Wolff hat auf dieses weihrauchbenebelte Political-Correctness-Geschwafel des früheren Bundestagspräsidenten die einzig richtige Antwort gegeben: Für ihn sei es immer noch die größte Gotteslästerung, jemandem im Namen Gottes den Kopf abzuschlagen. Punkt. Aber Wolf-Man, der Rächer der Karikierten, ließ nicht locker. Der Sprecher des Arbeitskreises »Christen in der SPD« und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken will noch dazu einen »Fundamentalismus der Satire« beobachtet haben. Das muss man sich echt mal auf der Zunge zergehen lassen, da ist es wirklich nicht mehr weit zum berühmten »selber schuld«. Außerdem beschwerte sich Thierse darüber, dass in der langen Liste von Leuten, die dem Spott der Karikaturisten ausgesetzt seien, eine Berufsgruppe fehlen würde: Genau, die Satiriker. Anders formuliert: Wer verarscht eigentlich die Verarscher? Wer verspottet die Spötter?

Und wissen Sie was? Ich glaube, der meint das ernst, der Thierse! Ist ja auch fies, wenn keiner Witze über Ernst Röhl (saß in mehrere Monate in DDR-Haft) oder Barrett Brown (in den USA frisch verurteilt zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe) reißt! Ja, was machen wir denn da? Eine staatliche Einrichtung für organisierte Gegensatire? Bisschen im Zeitfenster verrutscht, Herr Thierse?

Wie so oft hilft ein Blick ins Gesetzbuch, der sogenannte »Blasphemieparagraph« en detail lautet: »Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.«

Stören also Karikaturisten, die zum Beispiel den Papst mit bepinkelter Soutane oder Mohammed als Hund darstellen, den öffentlichen Frieden in Deutschland? Spätestens natürlich wenn Anschläge auf sie verübt werden, aber sollen wir wirklich vorher schon die Schere ansetzen? Und was ist eigentlich mit einem Weltanschauungsvereinigungsoberhaupt, das seinen zwei Milliarden Followern den Gebrauch von Verhütungsmitteln verbietet und handfeste Kindserziehung gutheißt? Wie hoch sind die Auflagen von Titanic und Charlie Hebdo gleich noch mal?

Eins muss man dem guten Wolfi aber lassen, in der oben erwähnten Diskussion hat er einen wichtigen Punkt aufs Tablett gebracht: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schützt nicht die Religion – keine –, sondern die Religionsfreiheit: »Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.« Darüber kann man dann doch mal ein paar Minuten nachdenken.

Und weil ich jetzt irgendwie noch einen Augsburger Dreh in die Kolumne reinkriegen muss, schlage ich zum diesjährigen Friedenfest erstens eine Diskussionsrunde zum Thema »Öffentlicher Frieden und Satire« vor, zweitens einen Cameo-Auftritt von Schorsch Bergoglio mit seiner Band The Kidslappers und drittens ein Ballett zu Blaise Pascals berühmtem Satz »Alles Unheil kommt von einer einzigen Ursache, dass die Menschen nicht in Ruhe in ihrer Kammer sitzen können.« Peace!