„Uns hat alles angefixt, was komisch war.“
Verfasst von Neue Szene am 04.05.2023
Der Pavian - Das Pop-Wohnzimmer. Eine Zeitreise mit Markus Mehr und Christian Riegel
The Swinging Sixties - Als “Yeah Yeah Yeah” nach Augsburg kam!
Manfred Langner ist eine musikalische Institution in der Stadt. Er führt seit 40 Jahren seinen Plattenladen “Cover” in der Altstadt, hat im Laufe der Dekaden in vielen Bands gespielt und steht heute noch regelmäßig auf der Bühne. Von Walter Sianos
Manni, war Roy Black eigentlich der erste Beatnik der Stadt?
(Lacht) Nein! Nichts gegen Roy, aber er war für mich kein Beatnik.
Die sechziger Jahre werden gerne als Swinging Sixties tituliert, wie hielt der Beat Einzug in Augsburg?
Die ersten Beatveranstaltungen liefen schon so gegen 1963 im Moritzsaal. Da fanden Talentwettbewerbe und Festivals mit lokalen Bands statt, aber auch renommierte Acts traten dort auf. Da ging es natürlich immer gut ab.
Eine Schlagzeile in der Augsburger Presse war damals: “800 Jugendliche außer Rand und Band, zwei ohnmächtige Mädchen!”
Mit den Beatles setze auch die Beatwelle in Augsburg ein. Vorher gab es auch schon Bands, aber mit den Fab Four und den Rolling Stones schwappte dieser Sound 1965 endgültig auch nach Augsburg, vorher ging es eher gemächlich ab. Die erste Liveband die ich gesehen habe, waren die Lords im Moritzsaal, das war entweder Ende 1965 oder Anfang 1966, ein echtes Beben. Dann kamen die Rattles in die Stadt, die in der NCR in einem Saal gespielt haben, die ganze Stadt war in Bewegung. Eine ganz wichtige Location war damals der Weißenburger Hof in Pfersee, das war ein knallharter Beatschuppen, also nichts für Schunkelbands. Dort haben die wichtigsten und besten Kapellen der Stadt gespielt. Dort bin ich 1966 mit meiner Formation The Trace aufgetreten. Da war ich gerade mal 16 Jahre alt und zu den Auftritten musste mich immer mein Vater begleiten, denn damals war man ja erst mit 21 volljährig und für uns Teenager war um 22.00 Uhr offiziell Zapfenstreich.
Da hattest du aber Glück, dass dein Vater so liberal war. Wie war das damals überhaupt mit den Frisuren, da musste man sicher um jeden Zentimeter erbittert kämpfen?
Das war schon so, wer das Haar etwas länger trug, musste sich zuhause und in der Lehre immer einiges anhören und besonders auf der Straße wurde man deswegen immer wieder mal angepöbelt. Ich hatte Glück, dass meine Eltern in dieser Beziehung cool waren. 1965 habe ich eine Ausbildung als Dekorateur im Modehaus Jung angefangen, die waren ziemlich tolerant und haben wegen der Matte nie Stress gemacht. Mein Vater wollte zuerst eigentlich, dass ich Koch werde und wir sind zu einem Bewerbungsgespräch ins Drei Mohren gegangen. Die hätten mich genommen, aber nur unter der Bedingung, dass ich zum Friseur gehe. Meine Karriere als Koch war damit beendet, bevor sie überhaupt begonnen hat (lacht).
Wie waren deine ersten Berührungen mit der populären Musik?
Bis ich 13 war, habe ich meist Rock & Roll gehört, Trini Lopez, Roy Orbison und so Sachen, aber mit den Beatles hat sich alles verändert, da gab es kein Halten mehr und von da an hatte ich nur noch den Wunsch, eine eigene Band zu gründen. 1965 war es dann soweit, The Wildes waren geboren, aber bereits ein Jahr später ging es mit The Trace weiter.
Weißenburger Hof, Moritzsaal … Wie war es denn so um die Auftrittsmöglichkeiten bestellt?
Mit der Beatwelle Mitte der Sechziger haben sich in Augsburg unheimlich viele und auch wirklich gute Bands gegründet. Gleich in der Nähe vom Modehaus Jung gab es das Wertachstüble, dort konnte man immer Sonntag nachmittags mit seiner Band auftreten und da ging es immer voll ab. Kennst du den Alexander Möckel?
Den Musiker? Ja, den kenne ich.
Seine Eltern hatten damals den Laden. Der Weiße Gockel, das heutige Coq in der Altstadt, war damals auch eine berüchtigte Beatkneipe und da sind immer samstags Bands aufgetreten. Damals konnte man praktisch in jeder Wirtschaft der Stadt auftreten, die einen Nebensaal hatte. Wenn ich das mit heute vergleiche: Wo kann man den in der City noch groß auftreten, außer vielleicht in der Kresslesmühle? Am Schmiedberg gab es noch den Jazzkeller, dort residierten die Existenzialisten und Philosophen mit den Rollkragen und den rauchenden Pfeifen (lacht).
Wer waren denn die Platzhirsche unter den vielen neuen Bands, die Cannons von Roy Black?
Die Cannons waren eine gute Band, aber zu soft. Meine Lieblingsband waren die Shambeats, die waren wirklich verdammt gut. Bekannt in der Stadt waren aber auch wir mit The Trace und andere wie Les Djinns, The Crashers, The Ravens, The Drifters, The Snobs, The Shotguns oder Tornado 5. Es war im Prinzip jedes Wochenende etwas geboten, aber es gab nie nur eine Location, die als fester Treffpunkt diente. Clubs, wie man sie heute kennt, gab es nicht, das änderte sich mit dem Big Apple in der Gögginger Straße.
Auf den “Apfel” kommen wir noch zu sprechen. In den 60er und 70er Jahren lebten bis zu 30.000 GIs mit ihren Familien in Augsburg. Welchen Einfluss hatte das auf euch?
Der Soldatensender AFN war für uns eine große Inspirationsquelle und wir hatten oft bei den Amis in den Kasernen Auftritte. Wir haben meist in der Reese-Kaserne gespielt und die Amerikaner waren ein sehr dankbares Publikum, weil ja sonst für sie nicht viel geboten war. Aber auch da muss man unterscheiden, bei den schwarzen GIs hatten wir eher einen schweren Stand, weil die mehr auf Soul und Blues standen.
Musik ist heute dank verschiedenster Streamingdienste frei und endlos verfügbar und man hat fast schon einen unendlichen Zugriff. Was waren denn eure Quellen damals und wie kam man an die richtigen Klamotten?
Ich hatte mal wieder Glück, dadurch dass ich beim Jung arbeitete kam ich immer günstig an die neuesten Outfits, aber generell wurde damals in diese Richtung viel improvisiert. Platten waren sündhaft teuer, für eine LP musste man circa 20 DM hinblättern, genau so viel, wie ich als Lehrling damals verdient habe.
Ein Monatslohn für eine Platte?
Das war so, deswegen gab es nur alle drei bis vier Monate mal einen Longplayer. Aber zu dieser Zeit waren Singles sehr gefragt, die haben wir entweder bei Musik Durner oder bei Dr. Sohn in der Maxstrasse gekauft. Wenn jemand eine neue Platte hatte, sind wir zu ihm nach Hause gepilgert und dann wurde das Teil rauf und runtergespielt. Ein ganz wichtiges Ding war der Plärrer, dort liefen in der Zugspitzbahn und am Autoscooter immer die allerneuesten Hits, das war schon immer ein echtes Highlight. DJs gab es zu dieser Zeit nicht, fast jede Gaststätte hatte eine Musicbox und das war´s.
Was war denn deine erste Platte?
So etwas vergisst man nicht, es war “Help” von den Beatles.
1965 startete der Beat-Club im deutschen Fernsehen, eine Musiksendung, die das Establishment regelrecht schockte.
Absolut, im deutschen Radio gab es kaum die neue Musik zu hören und sonst lief im Fernsehen als Unterhaltung der Blaue Bock. Und plötzlich flimmerte samstags immer der neueste und heißeste Sound, den es gab und drumherum tanzten leichtbekleidete Gogo Girls. Das war für uns Teenager der absolute Kult und wir saßen alle mit ganz großen Augen vor der Glotze und haben Luftgitarre gespielt (lacht). Ich weiß sogar noch heute, wer die allererste Band war, die dort aufgetreten ist. Es waren die Yankees, eine deutsche Beatband und der Song hieß “Halbstark”.
Und dann kam 1967 das Big Apple ...
Wie gesagt, es gab davor keinen wirklichen Hotspot in der City, alles hat sich mehr oder weniger in der Vorstadt abgespielt. Das Big Apple war der erste richtige zentrale Club. Das war eine echte Revolution und der Laden hat wie eine Bombe eingeschlagen. Dort legten dann auch DJs auf, erst DJ Theo, dann eine Frau, ich weiß gar nicht mehr wie sie hieß, und dann folgte auch schon Rudi Schäble. Im Big Apple gab es eine Lichtanlage und ein Stroboskop, das war wirklich bahnbrechend und von da an war ich jahrelang jedes Wochenende dort.
Zu diesem Zeitpunkt war der Höhepunkt der Beatwelle schon überschritten, oder?
Das Big Apple eröffnete genau zu der Zeit, als die Beatles “Sergeant Peppers Lonely Hearts Club Band” veröffentlichten, mit diesem Album wurde Musik intellektuell, es hat die Pop-Geschichte verändert und von da an wurde es auch psychedelischer. Anfangs war das Big Apple noch ein relativ gemäßigter Club, was sich im Laufe der Zeit aber geändert hat. Bis 1967 wurde eigentlich nur gesoffen, aber der neue Zeitgeist veränderte viel, die Klamotten wurden bunter und Drogen kamen ins Spiel. Ende der Sechziger waren schon die Vorboten der Flower-Power-Zeit zu spüren. 1972 musste der Apfel nach einer Razzia letztendlich schließen.
Wie lief es denn damals so mit den Mädels?
Die sexuelle Revolution kam 1967 mit der Pille, das veränderte vieles. Was sag ich denn, es veränderte alles! Davor war es etwas kompliziert, denn die Gesellschaft damals war prüde und spießig. Der Vater meiner Freundin war Künstler, deswegen war das bei mir eher etwas lockerer.
Glück gehabt, wie immer halt …
Das stimmt, aber ich habe mich nie drängen lassen und letztendlich immer meinen Stiefel durchgezogen. Ich wollte ein unkonventionelles Leben und hatte es letztendlich auch, weil ich mich meist für die richtigen Dinge entschieden habe.
Die Musik hat dich nie losgelassen. Dein Plattenladen “Cover” existiert seit 1983.
Die Musik hat mich mein Leben lang geprägt. Nächstes Jahr feiere ich mein 40jähriges Jubiläum mit meinem Laden und trete immer noch mit meiner Band live auf. Es macht mir nach wie vor Spaß. (ws)
In unserer Dezember-Ausgabe blicken wir mit Manfred Langner auf die 70er-Jahre in Augsburg zurück.
Band-Fotos mit freundlicher Genehmigung aus dem Buch „Die Augsburger Pop-Geschichte“, von Arno Löbs Soso-Verlag.
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