Im Garten mit Kurt Gribl

Verfasst am: 01.05.2017 | Autor: Florian Kapfer

Die Mutter aller Stadtregierungen hat alles im Griff, ist vielbeschäftigt, genießt aber trotz allem die ruhigen Stunden im Kreis der Liebsten...

Vermutlich war es einfach zu verführerisch, Journalisten sind ja auch nur Menschen. Die USA hätten die »Mutter aller Bomben« über einer IS-Festung in Afghanistan abgeworfen, berichteten deutsche und internationale Medien im April und wurden nicht müde, diesen so unfassbar zynischen Begriff ein ums andere Mal zu wiederholen. Im Laufe des Tages wurde zwar die »größte nichtatomare US-Bombe« daraus, doch da war der Terminus schon in der Welt – und es dauerte nicht lange, bis die Sowjetunion, pardon, Russland mit einer noch größeren, viermal so starken Keule winkte, die folgerichtig als »Vater aller Bomben« tituliert wurde.

Hallo? Jemand zu Hause in Kreml und Weißem Haus? Oder sitzen die schon in den Bunkern? Als wäre man in eine Zeitmaschine geraten, an der ausnahmsweise nicht Guido Knopp dreht. Weltuntergang scheint wieder in Mode zu sein. Zugegeben, es macht ja auch Spaß. Ich weiß nicht, wie oft ich mir schon die zweite Hälfte von »Titanic« reingepfiffen habe, natürlich nicht, um Kate Winslet oder Leonardo DiCaprio beim Schmachten zu beobachten, sondern um den verdammten Kahn sinken zu sehen und eine Träne zu verdrücken, wenn der Chef der Bordkapelle sagt: »Gentlemen, es war mir eine Ehre, heute mit Ihnen spielen zu dürfen.«

Glücklicherweise spielen die europäischen Wähler beim Weltuntergangsrodeo nicht mit – zumindest außerhalb der Länder, die man fast schon abgeschrieben hat in Sachen Demokratie. Die Österreicher, die Holländer und aller Voraussicht nach auch die Franzosen haben der Versuchung der einfachen Lösung, die freilich keine ist, widerstanden und sich für proeuropäische Kandidaten entschieden. Ein gutes Zeichen nicht zuletzt für die Bundestagswahl im September.

Mit Hinblick auf diese so wichtige Abstimmung hat auch die AfD ein Zeichen gesetzt: kontra Koalitionsfähigkeit und pro Fundamentalopposition, verkörpert im Scheitern von Frauke Petry und dem Erfolg ihrer Gegner um Alexander Gauland. Interne Streitigkeiten aber mag der Wähler nicht, zumindest nicht, wenn er noch unentschlossen ist. Vermutlich wird Deutschland sowieso nach dem 24. September wieder von einer Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel regiert werden. Auch nicht optimal, doch zumindest auf der Oppositionsbank könnte es demnächst etwas enger werden.

In Augsburg feiert derweil die »ganz große Koalition« ihre Regierungshalbzeit mit einem wahren Marathon an Selbstbeweihräucherung. Die Stadtregierung lud Ende April zu nicht weniger als acht »Pressegesprächen« an acht verschiedenen Orten ein, darunter so lauschige Locations wie die Kulperhütte an der Wertach, das ehemalige Postgebäude in der Grottenau oder ein Bierzelt auf dem Plärrer. Und falls man es als Medienvertreter nicht möglich machen konnte – oder vielleicht ganz einfach keine Lust hatte auf die Gribl-Festspiele – bekam man einen schönen Text im Nachgang geliefert.

Das als Interview formulierte Schreiben stellte so brennende Fragen wie: »Was waren Ihre wichtigsten Projekte in den letzten drei Jahren?« und vergaß dabei auch nicht die lustige Einschränkung »bitte nur drei bis fünf benennen«. Schön auch der zurzeit so beliebte Dreh mit der »besonderen Zahl«, die aktuell auch vom Augsburger Arbeitsamt wöchentlich mittels Pressemitteilung beackert wird. Und natürlich durfte die persönliche Seite nicht fehlen: »Wo fühlen Sie sich in Augsburg besonders wohl, welcher Ort hier erfüllt Sie mit Zufriedenheit?«

Jetzt wissen wir also, dass Kurt Gribl »Hauptbahnhof- und Kö-Umbau, die Uni-Klinik, die Theatersanierung, das 300-Millionen-Programm für unsere Schulen, den Innovationspark und vieles mehr« für seine wichtigsten Projekte hält, die Zahl 1555 (Pax Augustana) eine »übergeordnete Bedeutung für uns alle, auch für mich« hat und der Mann bei der Arbeit im eigenen Garten »gerne auch ohne Handschuhe« eine »tiefe Ausgeglichenheit« erfährt.

Fazit: Die Mutter aller Stadtregierungen hat alles im Griff, ist vielbeschäftigt, genießt aber trotz allem die ruhigen Stunden im Kreis der Liebsten. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber mich machen solche Aussendungen immer noch viel besorgter, als man es eh schon ist. Wenn in der Sowjetunion etwas passiert war, lief im Fernsehen immer »Schwanensee«, die Mutter aller Ballette quasi. Also, Vorsicht: Wenn auf A-TV mal nur noch »Jim Knopf« läuft, wird es vielleicht doch Zeit, das Kellerabteil mit frischen Vorräten auszustatten...

Foto: Stadt Augsburg/Ruth Plössel