Kann ja wohl nicht sein!

Verfasst am: 01.02.2017 | Autor: Florian Kapfer

Das war doch schon das Motto des vergangenen Jahres, oder? Kann ja wohl nicht sein...

Weihnachtszeit in Augsburg: Wegen der Fliegerbombe sieht man die Innenstadt, wie man sie sonst nie sieht: ohne Autos. Nicht nur, dass die fahrenden Dreck- und Lärmschleudern Zwangspause haben, auch die geparkten Platzverschwender sind größtenteils verschwunden – offensichtlich haben viele Augsburger nicht nur sich und ihre Haustiere in Sicherheit gebracht. Soviel Freiraum kennen nur noch die älteren Semester. Gut, dass am Tag darauf schon wieder alles »normal« ist, während im Heimkino eine Nachhaltigkeits-Doku die andere jagt und sich jeder Gutbürger über Klimawandel (was für ein Euphemismus übrigens) und Trump echauffiert.

Schon der Spaziergang tagsüber entlang der »Todeszone« war definitiv ein Highlight. Zitat eines Polizisten bei unserem Verlassen der Fußgängerunterführung an der Haunstetter Straße: »Wo kommt's'n ihr jetzt her?« Wir sind ihm die Antwort schuldig geblieben. Wo soll man schon herkommen, wenn man aus einer Unterführung mit zwei Eingängen tritt – von drauß' vom Walde?

Kurze Zeit später war sowieso alles schon wieder vergessen, nicht zuletzt dank der hirnlosen Ballerei, ohne die der Bundesbürger offensichtlich nicht Silvester feiern kann. In der AZ stand die Bilanz aus Sicht der Augsburger Müllabfuhr: Elf Tonnen Abfall wurden dieses Jahr von der hiesigen Stadtreinigung entsorgt, in München waren es 50 Tonnen. Zum Jahreswechsel bleibt die Kinderstube geschlossen und der Dreck draußen.

Zitat einer gutgelaunten Mama auf der Silvesterfeier in Augsburg: »Letztes Jahr hat meine Tochter total Angst bekommen, deshalb habe ich ihr heute Ohrenschützer aufgesetzt.« Sprach's und legte Feuer an die Lunte. Die Augen der Tochter hätten Sie sehen sollen, vermutlich bekommt sie dieses Jahr noch ne Augenbinde verpasst.

Noch ein paar Tage später sind die Straßen der Stadt wieder wunderbar geschmückt mit glücklichen, freilaufenden Weihnachtsbäumen. Ganze Nester bilden die Dinger, zumal wenn Tief Axel und Sturm Egon vorbeischauen und das gute Grün vor sich hertreiben wie Tumbleweed im Western. Aber wehe, du wirfst ne Kippe auf den Gehsteig! Jahreswechsel ist gesetzlose Zeit: Christkind rein-, Sau rauslassen, eine besonders ekelhafte Kombination.

Im Hause Apple trifft derweil der Brief einer chinesischen Behörde ein, woraufhin das teuerste Unternehmen der Welt die App der New York Times aus dem Programm nimmt. Das ist ungefähr so, als ob Horst Seehofer darum gebeten hätte, dass auf bayerischen I-Phones die Neue Züricher Zeitung nicht mehr zu lesen ist. Nur würde Apple den bayerischen Ministerpräsidenten nicht mal mit der angeknabberten Seite des Arsches anschauen. Was sind schon 13 Millionen Bayern gegen 1,3 Milliarden Chinesen? Da können wir uns noch so aufregen: Es kann doch nicht sein, dass...!

Das ist zurzeit der Lieblingsspruch im politischen Geschehen: »Es kann nicht sein, dass...« Sie wissen schon: dass »Gefährder« frei rumlaufen, dass VW-Winterkorn »Abschaltvorrichtung« angeblich nicht mal buchstabieren kann und dass wir einer verfassungsfeindlichen Partei auch noch die Kosten für den »Wahlkampf« erstatten. Lustigerweise äußern diese Sätze meistens Leute, die seit Jahren in verantwortlichen Positionen der Politik tätig sind.

Verdammt, wir machen es den Feinden der Demokratie echt viel zu einfach. Das Bundesverfassungsgericht hat es uns bei seiner Ablehnung des NPD-Verbots ins Stammbuch geschrieben: Da müsst ihr euch schon selbst drum kümmern. Und man ist versucht zu sagen: Das kann ja wohl nicht sein! Und dann passiert's trotzdem. Das war doch schon das Motto des vergangenen Jahres, oder? Kann ja wohl nicht sein...

Foto: Christian Menkel