Augsburg, einen Tag vor Anbruch des chinesischen Jahres der Schlange. Ein Gespräch mit Lihan D. über schlafende Löwen, flirtende Chinesen und das Leben an sich...
Warten auf... …das Jahr der Schlange

Augsburg im Februar, wie ich später herausfinde, einen Tag vor Anbruch des chinesischen Jahres der Schlange. Draußen schneit es, drinnen ist es warm, eine einfache Bestandsaufnahme. Ich gehe in die Stadtbücherei, dort ist es nicht kalt und nicht nass und es treiben sich jede Menge geistreiche Menschen herum, so wie Lihan D. Wir kommen ins Gespräch über schlafende Löwen, flirtende Chinesen und das Leben an sich.
Hat der Name Lihan eine Bedeutung?
Lihan: Ja, schöner Lotus.
Aus welchem Land kommst du?
Ich komme aus China.
Ich hätte jetzt auf etwas Mongolisches getippt, erkennst du selbst sofort, woher ein Asiate stammt?
Manchmal ja, da denke ich mir, der ist aus China, die ist aus Japan, aber an sich erkenne ich das nicht.
Dann brauchen wir Europäer ja gar kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir den Unterschied nicht erkennen.
Bei den Europäern kann ich es selbst eher erkennen, ob es jetzt ein Italiener oder ein Schwede ist.
Gibt es so etwas wie Spitznamen für Europäer in China?
Ja, bei Europäern oder Amerikanern sagt man oft Big Nose, und manchmal Lockiges Haar.
Oder beides, Big Nose mit lockigem Haar. Was machst du eigentlich in Deutschland?
Ich habe in Frankreich studiert und mache jetzt hier in Deutschland mein Praktikum bei einem Verlag.
Hat’s dir in Frankreich nicht mehr gefallen?
Doch, doch, die Franzosen sind lustige Leute.
Du kannst ruhig über die Franzosen lästern, kriegt keiner mit.
(lacht) Nein, die Franzosen sind nicht so seriös, nicht wie die Deutschen. Besonders in Südfrankreich, das ist unglaublich, dort ist immer Party.
So wären wir Deutschen auch gern.
Die Deutschen sind viel ernsthafter und pünktlich.
Das kann man den Deutschen nicht austreiben, diese Arbeitsmoral.
Ja, das ist normal hier!
Wann fängt der Durchschnittschinese mit der Arbeit an?
So um acht, oder neun, und das geht bis sechs am Abend, aber sehr viele machen Überstunden, weil sie mehr verdienen und sich etwas leisten wollen.
Ein Auto und ein Bett von Ikea.
Ich denke, das ist richtig, viele Leute in China denken, dass Ikea die beste Marke für Betten ist, und dann ein deutsches Auto.
Welche Automarke wird bevorzugt?
BMW.
Wie spricht ein Chinese BMW aus?
Bauma, das bedeutet so viel wie Treues Pferd.
Was glaubst du, was du in fünf Jahren machen wirst?
Ich möchte ein bisschen was von der Welt sehen, durch eigene Arbeit etwas erreichen und noch keine Familie haben.
Da widersprichst du dem Klischee des Asiaten, der möglichst früh Kinder und Familie haben will.
Es gibt dieses Klischee und es ist richtig, es gibt sehr viele Leute, die das wollen, aber auch immer mehr, die etwas anderes wollen. Es gibt auch von den Deutschen das Klischee, dass die pünktlich und seriös sind, aber es gibt auch viele, die das überhaupt nicht sind.
Du gehörst zum jungen, gebildeten, städtischen Milieu, oder?
Nein, ich habe in einer sehr kleinen Stadt gelebt. Aber die kleinen Städte haben oft gute Ideen, gute Leute, gute Universitäten, so wie Augsburg.
Was ist für chinesische Verhältnisse eigentlich eine kleine Stadt?
Fünfhunderttausend, das ist für China eine sehr kleine Stadt.
Wird China mal eine Weltmacht?
Ich bin keine Politikerin, aber ich denke, durch die reine Bevölkerungsgröße Chinas gibt es große ökonomische Chancen, was auch politische Auswirkungen haben wird. Die vielen Menschen können aber auch zum Problem werden, denn ein Land, das so viele Einwohner hat, ist sehr schwer zu regieren. Die chinesische Denkart ist deswegen auch anders als die der westlichen Welt, was Demokratie und Meinungsfreiheit angeht. Das Land wird offener, aber der Staat übt noch viel Kontrolle über die Menschen aus.
Hattest du einen Kulturschock, als du nach Deutschland kamst?
Anfangs ja, in China ist es einfacher, Menschen einzuschätzen, wir leben weniger individualistisch, sondern mehr für andere, die Menschen sind einfacher. Wobei sich das in China auch durch die ökonomische Entwicklung ändert. Aber was die Partnerwahl angeht, zum Beispiel, ist es oft noch so, dass sich zwei Familien kennen, die eine hat einen Sohn, die andere eine Tochter und dann sagen die Eltern: Du hast eine Tochter, ich habe einen Sohn, die könnten doch heiraten.
Wird in China geflirtet?
Das hängt von den Personen ab, aber normalerweise ist es nicht so wie in Deutschland oder Frankreich, das gibt es zwar, aber nicht so oft. Unsere Kultur ist da anders, aber auch das ändert sich, es ist nicht so offen. Es gibt in China auch Homosexuelle, aber man hört nichts von ihnen, man weiß, dass es sie gibt, aber man redet nicht öffentlich darüber.
Wobei es für uns auch schwer ist, asiatische Menschen einzuschätzen, ihr seid für uns geheimnisvoll, undurchschaubar.
Denkst du das auch?
Ja, ich denke, das liegt auch ganz praktisch an der unterschiedlichen Alltagskultur, man muss nur das alltägliche Beispiel nehmen, dass man jemanden zu etwas einlädt.
Ich verstehe. Wenn mich hier ein Mann zum Essen einlädt, denke ich zuerst, dass es freundschaftlich ist, ich weiß natürlich, dass die Männer auch andere Gedanken haben. Aber daran denke ich erst mal nicht.
Was hast du eigentlich studiert?
Kommunikation, Ökonomie und Journalismus.
Was würdest du mich als Journalistin fragen, wenn ich als Deutscher in China wäre?
Warum kommst du hierher?
Weil China was zu bieten hat, weil ich hier ein Business aufbauen will und hoffe, dass mir die chinesischen Raubkopierer nicht das Geschäft versauen.
Gut!
Kurze Assoziation, bitte: Wenn China ein Tier wäre, welches wäre das?
China wäre ein Löwe, weil der Löwe sehr stark ist und manchmal viel Schlaf braucht. China hat auch sehr lange sehr tief geschlafen und das ist ihm schlecht bekommen, jetzt und in der Zukunft wacht der Löwe auf.
Die USA?
Ein Adler, jung und frei.
Deutschland?
Ein Wolf, ein pünktlicher Wolf mit Potential.
Danke.