„Das Interview mit Nacktbildern von Rudi Schäble war der Renner“
Verfasst von Neue Szene am 23.02.2023
Die Geschichte der Augsburger Stadtmagazine. Teil 1: Lueginsland
Der Pavian - Das Pop-Wohnzimmer. Eine Zeitreise mit Markus Mehr und Christian Riegel
Am 01. März 1996 eröffnete der Pavian. Der Wohnzimmerclub am Schwibbogenplatz war danach für 13 Jahre ein stilprägender und innovativer Bestandteil der Augsburger Pop- und Subkultur. Wir haben uns auf einer Reise zurück in eine tolle Zeit mit den ehemaligen Betreibern Christian „Chrissi“ Riegel und Markus Mehr getroffen. Interview und Foto: Walter Sianos
Chrissi, die Pavian-Website ist wieder am Start und bekam auch ein Uplifting. Es gibt Hunderte von Fotos aus einem Zeitraum von 1996 bis 2009 zu sehen, dazu jede Menge Flyer, Presseschauen und eine Chronik aufgetretener Künstler. Die Seite erlebt also eine regelrechte Renaissance mit einer erstaunlichen Resonanz. Was hat dich dazu bewogen, den Pavian im Netz wiederauferstehen zu lassen?
Chrissi: Das war das „Zirkeldatum“, also der 01. März 2023. An diesem Tag gab es den Pavian genauso lange nicht mehr, wie er einst existiert hatte. Ich habe auf meinem Rechner ein riesiges Archiv und dachte mir, es wäre schade, wenn das alles einfach so im Nichts verschwinden würde.
Markus: Einem 20-Jährigen ist heute egal, wer oder was der Pavian war, aber der Laden hat seine Spuren in der Stadt hinterlassen und bei den Leuten in unserem Alter ist dieser Relaunch tatsächlich auf eine große Resonanz gestoßen, was uns natürlich sehr gefreut hat.
Könnt ihr euch noch an den Tag der Eröffnung erinnern?
Chrissi: Ja, zur Eröffnung haben die Funky Presidents gepielt . Aber erst mal kam niemand …
Markus: Das stimmt, wir haben um 20.00 Uhr geöffnet und es hat geschneit wie Hölle. Als wir aufgesperrt haben, stand tatsächlich niemand vor der Tür. Durch den plötzlichen Wintereinbruch kamen die Leute erst spät, aber letztendlich war die Bude dann doch brechend voll.
Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, in den Räumen des SJR eine Kneipe zu eröffnen?
Markus: 1995 haben Alaska Winter und ich für das X-Large-Festival gejobbt. Er als Programmleiter, ich als Booker. Das Festival war ein Erfolg und die Zusammenarbeit mit dem Stadtjugendring war sehr fruchtbar. Matthias Garte und Agnes Bauer haben uns nach dem Festival gefragt, ob wir nicht das Café Tip, das in den Räumen der SJR-Villa am Schwibbogenplatz beheimatet war, übernehmen wollen, um auf diese Weise den Spirit des neuen Festivals zu bewahren.
Chrissi: Da die Jungs wenig Gastroerfahrung hatten, haben sie mich gefragt, ob ich mit einsteigen will und so haben wir uns in dieses Abenteuer gestürzt.
Hattet ihr anfangs mit Skepsis zu kämpfen, das Tip hatte ja doch eine eher sozialpädagogische Patina?
Chrissi: Nicht wirklich. Schwierig war nur, dass die Öffnungszeiten des Cafés an die der Infostelle gekoppelt waren, d.h. wir mussten von Montag bis Freitag schon vormittags öffnen. Und das Tagesgeschäft war eigentlich immer ein Klotz am Bein.
Legendär war aber euer Bolo-Tag …
Chrissi: Das stimmt, viele verbinden mit dem Pavian heute noch den Bolofresstag und nicht das eigentliche Konzept, für das unser Schätzchen stand.
Markus: Dienstag und Donnerstag mittags war immer „all you can eat“ mit Spaghetti Bolognese und einer alternativen Veggie-Version. Das lief so gut, dass wir stellenweise gar nicht mehr hinterher kamen. Unsere Miniküche war dafür gar nicht ausgerichtet.
Trotz Bolo-Massaker hat sich der Pavian zu einem stilprägenden Bestandteil der Augsburger Pop- und Subkultur entwickelt. Euer Konzept war neu.
Markus: Der Laden war klein und wir waren dadurch limitiert, aber genau das war auch der Charme. Die Gemütlichkeit hat eine große Rolle gespielt, der intime und familiäre Spirit war Kalkül. Zusammensitzen im kleinen Kreis, etwas Seltsames entstehen zu lassen, das war der Plan. Wir waren Enthusiasten.
Chrissi: Die Musik stand sieben Tage die Woche ganz klar im Vordergrund. Auch wenn wir tagsüber aufhatten, letztendlich ging es uns um die Nacht. Wir wollten keine Hintergrundberieselung, sondern waren so was wie ein „Sitzclub“ mit wechselnden DJs und einem festen Programm, das in viele Richtungen ging.
Jeden Tag Programm, das stelle ich mir stressig vor.
Markus: Es war definitiv ein Aufwand, damals gab es keine Smartphones und das Internet hat noch eine untergeordnete Rolle gespielt. Und wir hatten ja kein Büro, unsere Kommandozentrale war die Küche. Alles war herrlich langsam und letztendlich hat es auch so funktioniert.
Der Pavian war der Club der Nischen …
Chrissi: Unser Motto war: „Kein Jazz, kein Blues, kein Reggae“. Uns hat alles angefixt, was komisch war. Wir hatten das Glück, dass so positive Spinner wie Steff Ungawa und Thomas Patsch am Start waren – Koryphäen, die regelrecht vor Ideen gesprüht haben, die hatten permanent ein neues Motto für einen ausgefallenen Abend.
Markus: Der Großteil der Pavian-Vibes hatte mit Machern zu tun, die dort ihre Ideen ausprobiert haben. Wir haben die Abende kuratiert, aber letztendlich wurden uns einfach auch viele gute Ideen zugetragen. Was wäre der Pavian ohne die Nächte mit Pegulan oder Leuten wie Franz Dobler, Pille Breuer und all den anderen Freaks mit ihren Ideen und ihrer Lust, etwas auszuprobieren. Für viele Kreative war der Pavian das perfekte Biotop. Dadurch, dass alles im kleinen Rahmen stattfand, war der Laden rasch voll. Und es war für die DJs nie der Druck da, jemanden zum Tanzen zu animieren.
Der Pavian war auch ein Epizentrum der Wohnzimmerbands.
Markus: Absolut, was uns in den Nullerjahren sehr in die Karten gespielt hat, war die Wohnzimmerszene, kleine Bands aus Berlin wie Quarks, Mina, Contriva, Barbara Morgenstern oder Schlammpeitziger und viele andere, die nur mit kleinem Gepäck gereist sind. Dafür war der Pavian die perfekte Location. Persönliche Kontakte hatten auch eine Rolle gespielt. Wenn ich z.B. in Hamburg auf ein paar Astra in den Golden Pudel gegangen bin, dann hat man mit Rocko Schamoni oder Schorsch Kamerun vor Ort etwas ausgemacht und das war dann auch fix. Frei nach dem Motto, bis nächste Woche in Augsburg.
Ein Knaller war euer Biergarten, der bei Sportveranstaltungen in einen Fanblock umfunktioniert wurde.
Chrissi: Da flossen Bier und Tränen, vor allem während des Sommermärchens bei der WM 2006. Genau genommen war das schon Public Viewing, ohne dass es diesen Begriff bereits gegeben hätte.
Ich erinnere mich an ein Fußballturnier, Drei gegen Drei barfuß. Es ging in die Geschichte ein, aber nicht wegen sportlicher Höchstleistungen.
Chrissi: Oh, ich weiß was du meinst. An diesem Tag haben sich mehrere Spieler einen Zehen gebrochen. Das war schon krass. Weniger riskante Klassiker waren da dann schon die Boule- und Tipp-Kick-Turniere.
Was waren eure persönlichen Highlights?
Chrissi: Ich wusste, dass die Frage kommt. Da gab es natürlich unzählige! Der Auftritt von Guz, dem Frontmann der Aeronauten, ist mir persönlich besonders im Gedächtnis geblieben. Auch die Shows mit Pegulan oder die Plattenküche waren grandios.
Markus: Für mich war das Konzert mit Finn sensationell, auch die Abende mit den Hamburger Kadetten um den Pudel Club waren immer klasse, auch die gemeinsame Veranstaltung mit dem Kerosin, wo wir zwei Tage eine musikalische Hafenrundfahrt mit Rocko Schamoni, Erobique oder DJ Koze präsentiert haben. Vor Lachen fast gestorben wäre ich beinahe beim Diavortrag über Charles Bronson mit Jacques Palminger und Felix Kubin.
Nach 4.931 Tagen oder 13 Jahren war Schluss. Warum?
Markus: Der Pavian hatte seinen Zenit in den Jahren 1998 bis 2004, da hat er heiß geglüht. Aber irgendwann verliert alles an Magie, neue Läden wie das Kreuzweise, das Lamm oder die Haifischbar kamen nach.
Chrissi: Was uns unter anderem schwer zu schaffen gemacht hat, war das Rauchverbot. In anderen Kneipen gab es Raucherbereiche oder ab 22.00 Uhr durfte die Kippe wieder angezündet werden, wir waren in einem öffentlichen Gebäude und da gab es null Kompromisse. Und ehrlich gesagt war bei uns irgendwann einfach die Luft raus. Alaska ist 1999 ausgestiegen, Markus 2007 und ich habe noch bis 2009 weitergemacht.
Wie groß war die Wehmut? Oder war es eine Erleichterung?
Chrissi: Es war ja ein Abschied auf Raten, deswegen konnte man sich darauf einstellen. An dem Tag, an dem ich endgültig abgesperrt habe, ist schon eine Last von mir abgefallen, aber natürlich ist auch die ein oder andere Träne gekullert.
Markus: Bei mir war es ähnlich. Und heute ist es ein sehr gutes Gefühl, wenn man an diese Zeit zurückdenkt, weil unsere kleine Pressluft-Schatulle ihre zarten Fußspuren hinterlassen hat. (ws)
www.der-pavian.de
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