Von Klee lernen...

Dass man allzu oft einen konkreten Bezug benötigt, um sich mit gewissen Dingen zu befassen, zeugt nicht gerade von ausgeprägtem Einfühlungsvermögen, aber liegt wohl in unserer Natur. Anders gesagt: Wetten, dass Sie Lech und Lechauen nach einem Besuch von "Mythos Fliegen" im H2 anders sehen? Und die Ausstellung anders, weil Klee eben den Lech gemalt hat und nicht die Isar? Ist natürlich reiner Zufall, dass einer der "Wegbereiter der Klassischen Moderne" (Ankündigung) ausgerechnet in Gersthofen stationiert war. Wenn dabei aber so eine interessante Ausstellung rausspringt, nichts dagegen!

Die Begeisterung der Verantwortlichen dieser "wunderbaren interkommunalen Kooperation" (Peter Grab) war bei der Pressekonferenz am Donnerstag auf jeden Fall mit Händen zu greifen, als, neben dem Augsburger Kulturreferenten, Christof Trepesch von den Kunstsammlungen, der Gersthofer Kulturreferent Helmut Gieber, Götz Beck von der Regio sowie die Vertreter der Großsponsoren Stadtwerke (Claus Gebhardt) und Stadtsparkasse (Rolf Settelmeier) ihre wohltuend kurzen und gutgelaunten Reden hielten.

Die Führung von Kurator Shahab Sangestan durch die "sehr dichte Ausstellung" (Trepesch) konnte dann trotz aller Detailfülle nur als Appetithappen fungieren. Es lohnt sich wirklich, dem Herrn Klee ein paar Stunden zu opfern, zumal viele der empfindlichen Werke nicht allzu oft zu sehen sein dürften. Dass ein bemaltes Ziegelstück nach fast hundert Jahren zum ersten Mal seinen Weg zurück in unsere Gegend gefunden hat und ein Werk vermutlich nie mehr auf Reisen gehen wird, sei da nur am Rande erwähnt.

Die Ausstellung ist sinnvollerweise in zwei Bereiche gegliedert: Im sogenannten "Black Cube" wird der geschichtliche Hintergrund genauer beleuchtet, u.a. mit Postkarten, die Klee seiner Frau aus Augsburg schickte, sowie Material zur Fliegerei im Ersten Weltkrieg. Im "White Cube" folgen dann 78 Werke von Paul Klee, die größtenteils während seiner hiesigen Stationierung von Januar 1917 bis Dezember 1918 entstanden sind. Es sind allesamt eher kleine Formate, das größte Ausstellungsstück ist witzigerweise ein Drachen, der damals zur Feindaufklärung benutzt wurde.

Insofern hätte man natürlich die Räume allzu gerne ganz für sich, die kleinen Formate erfordern geradezu den nahen Blick und belohnen mit einer unglaublichen Spannweite (um im Fliegerbild zu bleiben). Die Radierungen, Lithographien, Aquarelle, Feder- und Stiftzeichnungen, die der Soldat Klee auch während seiner Arbeit in der Kassenverwaltung anfertigte (um sie beim Auftauchen eines Vorgesetzten in der Schublade verschwinden zu lassen) sind teilweise sogar auf Arbeitspapier der Königlichen Fliegerschule entstanden. Die entwickelten Techniken und Motive tauchen auch in Klees späterem Werk immer wieder auf, bestes Beispiel dafür sind die Zickzacklinien aus der Lechlandschaft.

Paul Klee selbst ist übrigens nie geflogen. Zum Glück. Am Ende hätte er nicht den Lech gezeichnet, sondern die Berge, oder gar die Isar... (flo)

Die Ausstellung im Glaspalast startet am Samstag, 23.11., und ist bis 23.02.2014 zu sehen. Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Do bis 20 Uhr, Mo geschlossen. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen, Musik und Workshops begleitet die Ausstellung. Im Ballonmuseum Gersthofen beginnt am 05.12. "Joachim Jung - Auf den Spuren von Paul Klee".

Abbildungen:
oben: Fotokarte von Lily und Paul Klee an Familie Klee in Bern, 1916, Zentrum Paul Klee, Bern, Foto: Paula Stockmar
Spiel der Kräfte einer Lechlandschaft, 1917, Zentrum Paul Klee, Bern
Die Zahlenhölle, 1918, Privatsammlung, Bern
Kopf aus einem im Lech geschliffenen Ziegelstück, 1919, Zentrum Paul Klee, Bern
Paul Klee in der Korporalschaft der Landsturm-Kompanie Landshut, dritte Reihe stehend, Zentrum Paul Klee, Bern
Fitzlibutzli (Der Feldherr), 1918, Musée d’Art Moderne et Contemporain de Strasbourg
Sturz des C 35/2, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München

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