Immerhin, die ersten Lacher des Brechtfestivals hatte der künstlerische Leiter auf seiner Seite: "Augsburg ist zehn Tage lang im Ausnahmezustand", fantasierte Joachim Lang bei der Eröffnung der Brechtsause...
Mach die Tür zu, Bertolt!

Immerhin, die ersten Lacher des Brechtfestivals hatte der künstlerische Leiter auf seiner Seite: „Augsburg ist zehn Tage lang im Ausnahmezustand“, fantasierte Joachim Lang bei der Eröffnung der Brechtsause im Theater. Nach der vollkommen verunglückten Auftaktveranstaltung musste man jedoch froh sein, dass in den folgenden Tagen überhaupt noch jemand kam.
Auch von der vielbeschworenen "Heimkehr" des Festivals ans Theater Augsburg war nicht viel zu spüren, zumindest auf der „Langen Brechtnacht" wurde der verlorene Sohn eher skeptisch-ablehnend empfangen. Was nicht verwundert, das Theater hat bekanntermaßen Probleme mit geballt auftretenden jungen Menschen (die in unserem Fall nicht mal allzu jung waren). Auch programmatisch war wenig zu holen, Acts wie Max Prosa, Iris Romen oder Slut gehen maximal als ganz nett durch, relevant oder gar kontrovers sind sie auf keinen Fall. Interessant wäre z.B. gewesen, von der Ingolstädter Band Slut etwas über ihre Erfahrungen mit den unentspannten Weill-Erben zu erfahren, dagegen setzten Augsburgs Brechtverweser wie gehabt auf Anekdotisches, gerne auch in Form von erschreckend lieblos zusammengeschusterten Filmschnipseln.
Der Event bleibt ganz offensichtlich der Linie treu, die in Langs innigen Dankesworten an die beiden Stadtratshaudegen Bernd Kränzle (CSU) und Karl-Heinz Schneider (SPD) erneut zum Ausdruck kam: Der TV-Redakteur serviert seinen Auftraggebern leicht bekömmliche Hausmannskost, die er noch dazu in der Eröffnungsrede so engagiert und begeisternd vorstellte, dass Kurt Gribl dagegen pures Rhetorikdynamit war.
Kurz: Man war froh, als es vorbei war. Beim stilgemäßen Ausklang im Anschluss an die, zugegebenermaßen sehr unterhaltsame, Dresdner Dreigroschenoper in der (wo sonst?) Haifischbar fielen schließlich auch die passenden Schlussworte, wenn auch in vollkommen anderem Zusammenhang. Andererseits kann es kaum Zufall sein, dass ausgerechnet an diesem Abend ein Namensvetter des großen Augsburgers negativ auffiel und mit einem bestimmten „Mach die Tür zu, Bertolt!“ verabschiedet wurde...
Die Realitätsverkennung der Festivalleitung im Ausnahmezustand fand ihr Pendant übrigens bei jemandem, der mit Brecht vermutlich nicht allzu viel am Hut hat: Robin Dutt. Sie erinnern sich? Der jugendliche Erfolgstrainer, dessen Name so schön an den Helden aus Sherwood Forest erinnert und der nach Stationen in Stuttgart und Freiburg schließlich in Leverkusen scheiterte? Im Sommer 2012 verschwand der 48jährige in den Tiefen der DFB-Bürokratie, dieser Mischung aus Talentgrab und Resterampe an der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise. Als Nachfolger des nun für die Bayern strahlenden Matthias Sammer wurde Dutt Sportdirektor beim Deutschen Fußballbund. Einstellungsbedingungen sind normalerweise ein halbwegs modischer Pulli und der farblich passende Schal, doch wie man Robin Hood-Dutt kennt, hat der nicht nur die Adler-Boutique neu geordnet.
Als Dutt sein Konzept "ESA" vorstellte, dachten viele zunächst, er hätte sich im Redemanuskript geirrt. Doch weit gefehlt, die - vermutlich absichtlich - an das europäische Raumfahrtprogramm gemahnende Buchstabenkombination steht bei ihm für "Erfolg sind alle", eine Formulierung, die jedem Grundschullehrer die Kreide ausrutschen lassen würde. Und kaum hatte der Rebell bei der Pressekonferenz seinen ersten Schluck Mineralwasser getrunken, twitterten schon die ersten Fußballfans: "Klarer Versprecher, er wollte sagen: Die Erfolge sind alle."
Doch der tapfere Robin war noch lange nicht fertig: "Wenn wir es so machen, wie ich es mir vorstelle, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir Erfolg haben. Titel werden dann unausweichlich sein", tönte es aus dem Fußballhauptquartier und nun wurde es nicht nur den Pädagogen mulmig. Der Mann redet gar nicht mehr davon, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft nach 1996 mal wieder ein großes Turnier gewinnen könnte – nein, Titel werden unausweichlich sein! Quasi ein Kollateralschaden von ESA. Oder wie der Kaiser 1990 zu Protokoll gab: "Es tut mir leid für den Rest der Welt, aber wir werden in den nächsten Jahren nicht zu besiegen sein."
Womit wir wieder in Augsburg wären, denn auch die hiesige Art des Brechtfeierns dürfte in nächster Zeit nicht zu besiegen sein. So auch das resignierte Statement eines gestandenen Stadtrats nach der peinlichen Eröffnung: "Da kann man nichts dagegen machen." Anders formuliert: Es tut uns leid für den Rest der Welt. Vor allem aber für Augsburg.