Bruno Tenschert - Immer mittendrin

Der Augsburger Musiker und Fotograf im Interview

Bruno Tenschert agiert seit über 20 Jahren in der Stadt als Musiker und Fotograf. 2004 gewann er mit „Die Herren Polaris“ den Band-des-Jahres-Wettbewerb, mit seinem Soloprojekt „Der Herr Polaris“ veröffentlichte er beim renommierten Hamburger Indielabel „Grand Hotel van Cleef“ ein Album. Aktuell steht er mit seiner neuen Band „Das Format“ in den Startlöchern. Seinen Job als Streetworker hat er schon vor Jahren gegen die Kamera ausgetauscht.
Von Walter Sianos

Bruno, bei dir müssen wir exakt 20 Jahre zurückspulen. Begonnen hat alles mit „Die Herren Polaris“. Stimmt es, dass ihr aus einer Begleitband für ein Musical entstanden seid.
Daniel Pain, Lars Weisbach und ich haben 2003 in Benediktbeuren studiert und sind uns über „Jesus Christ Superstar“ nähergekommen. Kurz darauf sind „Die Herren Polaris“ entstanden und dann ging alles schnell: Es folgten Auftritte in Augsburg und 2004 haben wir bereits den „Band des Jahres-Wettbewerb“ gewonnen. Das war eine echte Initialzündung.

Augsburg war zu dieser Zeit eine echte Pop-Hochburg, der Begriff „Popcity“ machte auch überregional die Runde.
Man nannte Augsburg damals auch die Stadt der Frisuren (lacht), Bands wie Anajo, Roman Fischer und Nova International machten sich weit über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen und auch wir haben uns in dieser Runde pudelwohl gefühlt. Mit Mesquolito, der Band deiner Frau Valeria, gab es auch eine sehr coole Mädelsformation in der Stadt. Wir haben leider nie eine Bühne geteilt…

Ich habt damals eine zweiwöchige Tour durch Polen und Tschechien gespielt.
Das war toll, die Tour wurde vom ifa-Institut organisiert, angefangen in Danzig über Prag bis Oppava haben wir vormittags Workshops in Schulen gegeben und abends gab´s Rock & Roll in den Clubs.

Sozusagen verkatert die Schulbank drücken?
So ungefähr, aber wir waren jung, da steckt man so etwas weg (lacht). Danach ging es allerdings intern los, welche Marschroute die Band einschlagen sollte. Ein Teil war ambitioniert, andere wollten weiterhin im Hobbystatus weitermachen und so hat sich das mit der Zeit verlaufen.

Aus „Die Herren Polaris“ wurde „Der Herr Polaris“.
2010 habe ich begonnen, eigene Songs zu schreiben, bin nach Berlin und wollte dort meine Platte produzieren, aber irgendwie wurde ich mit der Stadt nicht so richtig warm. Zurück in Augsburg habe ich dann Michi Kamm von Nova Int. angehauen, ob er nicht Bock hätte, das zu übernehmen. Zu dieser Zeit hatte ich keine Mitmusiker und über Benni Benson bin ich auf die Jungs von Carpet gestoßen.

2016 hast du eine Platte beim Hamburger Indie-Label Grandhotel Van Cleef, deiner erklärten Lieblingsplattenfirma, veröffentlicht. Wie war das als du deine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hattest?
In diesem Moment dachte ich, ich bin am ganz oben angekommen. Das ist auch alles gut losgegangen, ich war zwei Wochen auf Tour mit Alaska Winter als Tourmanager und Mischer und hatte meine heutigen Bandkollegen von „Das Format“ Maxi Wörle und Maximilian Stephan schon mit an Bord. Es war ein Anflug von Euphorie, aber in diesem Geschäft reicht es nicht, nur gute Songs zu produzieren, man muss ständig an den Strukturen arbeiten. Promo, Booking, Verlagsarbeit und ganz ehrlich, irgendwann wurde mir das alles zu viel.

Maxi Wörle, Maximilian Stephan und du seid jetzt gemeinsam als „Das Format“ unterwegs. Eine echte 180 Grad Drehung, statt Singer/Songwriter dominiert jetzt eine sehr direkte Härte. Eine neue Platte, Video und Tour soll bereits in den Startlöchern stehen.
Korrekt. Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr auf melancholische Popsongs, die anderen beiden hatten auch Lust auf Krach und so entstand „Das Format“. Eigentlich wollten wir nur Spaß haben und ein paar Auftritte spielen, aber inzwischen sind wir schon wieder mitten drin. Wir haben mit ein paar Leuten aus Augsburg das Label „PaulaPaulPlatten“ gegründet. Die erste VÖ wird das neue Album von „Kalte Hand“ und das zweite Release ist unser Album im Oktober.

Du hast als Streetworker gearbeitet, den Job aber inzwischen an den Nagel gehängt. Hast du die Sicherheit für die Freiheit aufgegeben?
Ich hatte viel mit Jugendlichen, Flüchtlingen oder finanziell schwach aufgestellten Familien zu tun und nach elf Jahren auf der Straße war ich einfach durch. Was mir aber ziemlich auf den Senkel ging, war das System und unser gesellschaftlicher Umgang damit. Man wird schlecht bezahlt und muss ständig um Geld für bestimmte Projekte betteln, die finanziellen Umstände waren einfach nicht gut.

Heute arbeitest du als Fotograf. Wie kam es denn dazu?
2018 hat meine damalige Freundin im Kosovo ein Referendariat als Juristin absolviert. Ich habe meinen Job gekündigt, bin einfach mit und habe mich dort als Fotograf für eine Dokumentation für das Filmfestival „Dokufest“ in Prizren beworben. Ich bekam keine Antwort, aber dann hat der Zufall zugeschlagen. Ich habe in einer Bar den bekannten Fotografen Jetmir Idrizi kennengelernt und wir sind ins Gespräch gekommen. Er riet mir, zur PK ins Hotel zu gehen und Bilder zu machen und so bekam ich letztendlich den Job dann doch noch. Zurück in Augsburg habe ich beim Arbeitsamt mit einem Businessplan eine Förderung erhalten und mich selbstständig gemacht. Meine Kontakte in die Musikszene waren kein Nachteil und in den letzten Jahren ging es hauptsächlich darum, sich ein Netzwerk zu schaffen.

Die Fotos auf deiner Website dokumentieren dein Talent für Ästhetik und Dinge in Szene zu setzen. Gerade die Fotoreihe mit Dr. Drexler Project finde ich unglaublich toll, dieser unheimlichen Aura kann man sich nur schwer entziehen. Was fotografierst du am liebsten?
Menschen, Künstler:innen oder Bands. Aber natürlich ist es auch großartig, das Brechtfestival oder eine Kanu WM in Augsburg fotografisch dokumentieren zu dürfen.

Wie hart ist das Business?
Der Job ist ein Wellenbad. Wenn es mal ruhiger ist, dann bin ich auch als Tourmanager mit der Band Black Sea Dahu unterwegs, die bis zu 200 Shows im Jahr spielen. Donnerstags bin ich im Kappeneck und steh da auch mal hinter der Bar, was mir sehr Spaß macht. Man muss im Leben flexibel sein.

Was kickt mehr, Musiker oder Fotograf?
Das Musikbusiness ist ein sehr komplexes Geschäft geworden und man muss ständig abliefern. Ich liebe die Musik als ambitioniertes Hobby und die Fotografie eben als Job.

Was bringt die nahe Zukunft?
Ich bin bei einer Ausstellung mit 14 anderen Künstler:innen in Krumbach dabei, die völlig losgelöst von der Musik ist. Ich bekomme meine eigene Wand und präsentiere Fotografien, die meine Jugend mit Leiden(Schaft) und Architektur verknüpfen. Und irgendwann folgt eine Ausstellung in Augsburg. (ws)

Das Format live:
25.10.2024, City Club
www.brunotenschert.com
www.dasformat.bandcamp.com

Foto: Gerald von Foris

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