Augsburg im April, in der Maxstraße lehnt eine junge Frau gelassen an einer Hausmauer. Gute Gelegenheit für ein Gespräch mit Sara J. über grantige Kellner, Krokodile und Kopfrechnen...
Warten auf... ...den Nachtzug nach Wien

Augsburg im April, Regen und Sonne wechseln sich ab, so ist er eben, der April, wer will es ihm vorwerfen? In der nächtlichen Maximilianstraße sehe ich, zwischen den ewigen Junggesellenabschiedfeiernden und dem restlichen Partyvolk eine junge Frau gelassen an einer Hausmauer lehnen, gute Gelegenheit für ein Gespräch mit Sara J. Über grantige Kellner, Krokodile und Kopfrechnen.
Neue Szene: Worauf wartest du?
Sara: Ich arbeite gleich in einem Club an der Kasse, jetzt schnapp ich noch bisschen frische Luft.
Dann reden wir nicht über Arbeit, reden wir über etwas Angenehmeres: Wenn du jetzt am Hauptbahnhof wärst, wohin würdest du am liebsten fahren?
Am liebsten in irgendeine größere Stadt, zum Beispiel nach Wien, da war ich noch nie.
Schlafwagen oder normal?
Ich glaube, im Schlafwagen, das hat einfach Flair.
Kommt drauf an...
Na ja, eigentlich ist es ziemlich ungemütlich und schlafen kann man eh nicht. Ging mir jedenfalls mal so, als ich im Schlafwagen gefahren bin.
Allein im Schlafwagen, oder lieber Wundertüte?
Allein fände ich jetzt langweilig.
Wundertüte kann auch böse enden.
In der Wundertüte können aber interessante Menschen stecken.
Es könnten auch Psychopathen sein!
(lacht) Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass Psychopathen oft ziemlich interessante Menschen sind.
Ja, die Geschichte ist voller guter Beispiele dafür.
Lieber ein kultivierter Psychopath als ein Haufen besoffene Teenager.
Was wäre deine erste Handlung in Wien?
Ab ins Kaffeehaus!
Zu sehr charmanten Kellnern.
Ne, ich glaube, Wiener sind Grantler, insbesondere die Kellner.
Lieber ein grantiger Wiener als ein anzüglicher Italiener.
Ja, vor dem grantigen Wiener, vor dem hat man seine Ruhe, wenn man möchte.
Außer es ist ein anzüglicher grantiger Wiener.
Das wäre dann natürlich ein Glücksgriff!
Weißt du, was ich interviewtechnisch noch nie gemacht habe, nie machen konnte, aber gerne würde?
Was denn?
Ich habe noch nie einen Hund interviewt, dabei schauen Pudel immer so verdrossen aus.
Und wie wär’s mit einer Katze?
Katze würde nicht gehen.
Wieso würde ein Hund gehen, aber eine Katze nicht?
Katzen sind zu divenhaft, das wäre wie der Versuch, Katja Riemann zu interviewen.
Ja? Also ich finde Pudel immer etwas überdreht, was natürlich auch an der Frisur liegen könnte.
Bei der Frisur wäre ich auch überdreht.
Hunde haben wirklich etwas Kauziges.
Ja, du kannst ihnen die verrücktesten Sachen sagen, sie schauen dich mit großen Augen voll Liebe an, das ist rührend.
(überlegt) Ich bin eher wie eine Katze, denke ich, eigen und schweigsam.
Du beobachtest, schläfst viel, bist reinlich, eigensinnig und mörderisch.
Katzen sind doch nicht mörderisch.
Sie sind Jäger. Gut, es ist streng genommen juristisch kein Mord, weil sie ja nicht anders können.
Aber das tun doch fast alle Tiere.
Kühe nicht und Hunde auch nur aus Versehen.
Krokodil, Hai, Löwe?
Dem Löwen verzeiht man, weißte auch warum?
Wenn der Löwe ein anderes Tier frisst, wird man selbst nicht gefressen?
Das auch, aber vor allem sieht er gut aus, deswegen verzeiht man ihm seine Töterei.
Das ist gegenüber dem Krokodil natürlich unfair.
Und der Löwe ist Langschläfer, das ist sympathisch.
Das Krokodil ist auch Langschläfer, das dümpelt den ganzen Tag im Wasser vor sich hin.
Bist du auch Langschläferin?
Natürlich bin ich das!
Dann sag mal, wenn der Montag ein Mensch wäre, wie sähe er aus?
Ein fetter Typ mit dicker Nase, Mantel und Hut. So eine Art Vertreter, jemand, den niemanden mag, er ist der, der immer ungelegen kommt und was von einem will.
Und Samstag?
Irgendjemand Quirliges, Aufgewecktes, jemand, der zu viel redet, den man aber trotzdem mag.
Eine vergnügungssüchtige Partymaus.
Nö, nicht vergnügungssüchtig, aber vergnügungsoffen.
Vergnügungsoffen ist man doch immer.
Süchtig klingt aber zu negativ.
Vergnügungsbereit?
Besser.
Vergnügungsgierig?
Noch besser.
Und der Sonntag?
Eine verkaterte Frau Mitte Fünfzig im Morgenmantel mit Lockenwicklern und einer Tasse Kaffee in der Hand und abends ist der Sonntag dann ein grauer, ernster feierlicher Mann, der einen immer an den fetten Vertreter erinnert, der Morgen vor der Tür steht.
Stimmt, der Sonntag ist schizophren, wann wolltest du zuletzt einen Neuanfang?
Letztes Jahr, da habe mit meinem damaligen Freund zusammen gewohnt und das lief überhaupt nicht mehr...
Ein Neuanfang mit getrennten Wohnungen?
Ne, ein Neustart für mich selbst, ohne Freund mit neuer Wohnung.
Aber vielleicht ist das gar nicht dumm, zusammensein aber getrennte Wohnung.
Erst wenn man zusammenwohnt, merkt man, ob man wirklich zusammenpasst.
Ja?
Ja, erst dann können einem die Eigenarten des anderen richtig auf die Nerven gehen und entweder man kann sie hinnehmen oder halt nicht.
Man könnte doch sagen, man passt als Paar zusammen, aber eben nicht als Wohnungspaar.
Es gibt sicher Leute, für die das so passt, für mich nicht, außer die Wohnungen liegen direkt nebeneinander. Das wäre perfekt, jeder hat sein eigenes Ding und man ist trotzdem immer für den anderen da.
Was schreibst du auf die Postkarte aus Wien?
Wien ist schön, Kaffee is klasse, wie erwartet. Gruß & Kuss!
PS: Bleibe hier.
Das könnte sogar passieren, ich wollte mal in Wien studieren, Grundschullehramt, bin dann aber in Augsburg gelandet.
Welche Fächer?
Deutsch, Mathe, Geschichte und Kunst.
Mathe ist überall grausam.
Kommt man leider nicht drum rum, wenn man Grundschullehramt studiert.
Wie bist du im Kopfrechnen?
Eine Niete.
642 x 3?
1926.
Das ging schnell, da würden andere viele Minuten brauchen.
Bei geteilt und minus bin ich aber echt schlecht.
Teilen und verringern hat auch was Negatives.
Als Lehrer tut man dann eh so, als ob man es könnte.
Souverän wirken ist die halbe Miete.
Am besten ist der Spruch: Das verrate ich dir nicht, das musst du selbst herausfinden.
Und dabei muss man ernst schauen, wenn man da lächelt riechen die Bälger den Braten.
Nicht in der ersten und zweiten Klasse, da vertrauen einem die Kinder noch zu hundert Prozent.
Irgendwie rührend.
Finde ich auch, aber jetzt muss ich zur Arbeit.
Danke fürs Gespräch.