Warten auf... ...den Eskimo

Verfasst am: 19.10.2012 | Autor: Marcus Ertle

Eine Frau in Rot steht abends vor einem Kino und schaut Filmplakate an. Ein verrückter Interviewer, der hier nicht sein Glück versucht. Ein Gespräch mit Judith B. über Schüler, Männer und Frauen...

Eine Frau in Rot steht abends vor einem Kino und schaut Filmplakate an. Ein verrückter Interviewer, der hier nicht sein Glück versucht. Ein Gespräch mit Judith B. über Schüler, Männer und Frauen.

Was machst du eigentlich beruflich?
Ich studiere Germanistik auf Magister und Lehramt Gymnasium Deutsch und Sozialkunde.

Deutsch und Sozi fand ich immer gut, konnte man gut quatschen.
Bei Sozi find ich, dass sogar zu wenig gequatscht wird, da geht es mehr um Institutionenkunde.

Darf der Bundestag einen Verfassungsrichter zum Bundeskanzler wählen, wenn der Verfassungsrichter eigentlich Ministerpräsident im Nebenberuf ist und Vorsitzender des Landes-Wasser-Wirtschafts-Zweckverbands. Solche Fragen habe ich geliebt.
Ja, so in etwa, aber schön wär’s, wenn man die Schüler zu mündigen Bürger erziehen kann.

Ach, zu mündig ist doch auch nichts, sieht man ja bei Stuttgart 21.
Doch, doch, das ist schon das Ziel!

Lästern Lehrer im Lehrerzimmer immer noch fürchterlich über die Schüler?
(lacht) Ja, neulich waren ein paar Lehrer entsetzt, weil vier Jungs in der ersten Reihe alle Zahnspangen hatten und es schrecklich lustig aussah, wenn die Vier gleichzeitig gelacht haben.

Wirklich ein schönes Bild. Wobei, unter uns, wer freiwillig in der ersten Reihe sitzt, kann eigentlich geistig nicht normal sein.
Das kann man umgehen, indem man Sitzformen wie das Hufeisen macht, dann gibt es die erste Reihe nicht mehr.

Die Erste-Reihe-Sitzer finden immer einen Weg, nahe am Lehrer zu sein, außer man würde es so machen, dass der Lehrer sich exakt im Mittelpunkt eines Kreises befindet.
Wie im Zirkus?

Sozusagen. Sind Lehrer insgeheim nicht eh Zirkuspferdchen?
Also man darf keine Angst davor haben, mal im Mittelpunkt zu stehen, aber ein guter Unterricht ist der, in dem der Lehrer nicht zu sehr im Mittelpunkt steht.

Am Ende wird ja eh nur der Lehrer geliebt, der gute Noten gibt.
Das glaub ich nicht, man kann das als Schüler schon unterscheiden, ob ein Lehrer gerechte Noten gibt oder nicht. Und wenn nicht, nimmt man den Lehrer irgendwann nicht mehr Ernst.

Wie schafft man es, dass man sich nicht kranklacht, wenn ein Schüler z.B. zum Lehrer sagt: Herr Kölner, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber was ist ein Zwitter?
Das muss man trainieren, Selbstkontrolle.

Bei Lehrerinnen laufen die Jungs ja zur Hochform auf. Schon mal angemacht worden?
Ich wurde mal von ein paar Zehntklässlern auf dem Parkplatz abgefangen, das war auch ulkig. Ich bin raus zum Auto...

...es war dunkel und neblig...
...nein, es war mittags, und die Drei standen betont lässig auf dem Parkplatz herum und haben mich gefragt, was ich jetzt mache.

Ein Bein angewinkelt, Kippe im Mund, einer hat mit dem Klappmesser gespielt...
...weiß ich gar nicht mehr, ich hab sie einfach stehenlassen, ich bin da schon diplomatisch und höflich und habe sie höchstens ausgelacht.

Das ist gut für die junge Psyche, aber es wird eben überall mit harten Bandagen gekämpft, überall Haifischbecken.
Ja, sogar in der Liebe.

Wieso ist die Liebe ein Haifischbecken?
Mich hat das Buch von Erich Fromm beeindruckt, da hat er die Liebe ein bisschen wie einen Markt mit Tauschwerten beschrieben.

Ja, wir alle sind auch Objekte mit sehr unterschiedlichem Marktwert und schwankender Verfügbarkeit, aber ihr Frauen seid untereinander ja besonders hyänenhaft.
Und ihr Männer nicht?

Nicht so.
Das glaubst auch nur du.

Frauen betrachten einander doch viel gnadenloser: Ja, sie ist noch hübsch, aber die Brüste werden langsam schwer, hast du gesehen, zweimal dieselbe Hose an, na ja, meint wohl, sie steht ihr.
Das liegt daran, dass traditionell bei der Frau die Schönheit als wichtigstes Merkmal gesehen wird und nicht die Intelligenz, das ist das herrschende Bild.

Ihr seid Sexobjekte.
Ja, die Frau wird eben auf das Emotionale und Äußerliche reduziert, aber bei euch Männern kommt die Konkurrenz dann eben auch auf anderen Gebieten zum Vorschein, wenn es um Karriere und Status geht.

Schön wäre es, wenn wir auf unsere inneren Werte reduziert würden: warmherzig, humorvoll, intelligent, charmant.
Das wäre allerliebst.

Und was machen dann die Dummen, kaltherzigen, tumben?
Auf jeden Topf passt ein Deckel.

Glaubst du das?
Vielleicht hat er auch mehrere Deckel.

Vielleicht steht auch ein Topf in Augsburg und der ideale Deckel schippert dummerweise gerade als Eskimo durch Alaska und man wird sich nie, nie treffen.
Dann würde ich jetzt laut Neiiiiiiiin schreien, aber das wäre dann eine ganz andere Kultur und so ganz ideal könnte das dann gar nicht sein.

Der ideale Deckel kommt aus demselben Kulturkreis?
Ich glaube nicht, dass es da starre Regeln gibt, aber es sollte schon einen ähnlichen Hintergrund geben.

Ein gleiches intellektuelles Niveau?
Vielleicht, aber kannst du definieren, was genau intelligent ist und was nicht?

Intelligent ist das, was nach zwei Tagen des Nachdenkens nicht blöd wirkt, zumindest nicht blöder, als man selbst ist.
Intelligenz ist furchtbar schwer zu fassen und zu messen.

Dummheit ist leichter zu fassen.
Was ist dumm?

Ein hässlicher Mann in der Kneipe, der einen anderen hässlichen Mann Quasimodo nennt, das ist dumm.
Aber Quasimodo hat immerhin die schöne Zigeunerin bekommen.

Den Teil der Geschichte kannte er wohl nicht.
Deswegen ist er dumm.

Genialer Beweis. Wie ist das für dich als Akademikerin, soll der Mann eher so der Intellektuelle sein oder gerne auch mal der Holzfällertyp?
Man sollte Gemeinsamkeiten haben, wenn beide z.B. studieren, gibt es einfach viele Dinge, über die man reden kann, andererseits ist es klar, dass es immer Dinge gibt, die man nicht teilt, dafür sind dann Freunde da. Die Soziologie sagt dagegen, dass es mit den Pärchen schichtspezifisch ist, dass man also bei der Partnerwahl weitgehend im selben Milieu bleibt.

Außer es ist rein sexuell.
(lacht).

Da lachst du, das ist eine ernsthafte Sache, es gibt ja auch Bereiche, wo der Intellekt stört, weil Intellektuelle eher verklemmt sind.
Das hab ich noch nie gehört.

Das ist doch wirklich allgemein bekannt. Der Bauarbeiter pfeift dir hinterher und sagt: Hübscher Hintern! Der Uni-Prof würde das doch nie machen.
Das findest du verklemmt, wenn man solche anzügliche Sachen nicht so raushaut?

Würde ich nie wagen, ich denke, es gibt gar keine Verklemmtheit, es gibt eben introvertiert und weniger introvertiert.
Ach so!

Nein, Quatsch, natürlich gibt’s Verklemmtheit!
Ernsthaft, nie gehört so was. Vielleicht bin ich zu wenig unter Bauarbeitern unterwegs.

Wäre es besser, wenn wir Mann und Frau gar nicht in erster Linie als geschlechtliche Wesen wahrnehmen, sondern zuallererst ein Mensch?
Das wäre voll interessant!

Das wäre ein Schmarrn!
Wieso denn das jetzt?

Weil das Frau-Mann-, Mann-Frau-Ding die Welt am Laufen hält.
Ach, du bist so ein....

Macho?
..nein, so ein Evolutionsargumentierer!

Nein, ich mag die Evolutionsargumente gar nicht, da müsste man ja dauernd Kinder zeugen.
Aber das mit dem Kinderkriegen, oder Kindermachen, ist doch der eigentliche Inhalt, der hinter der Geschlechtersache steht.

Ach, ja, früher, aber der Aspekt wurde inzwischen doch zur Seite gedrängt.
Dann können sich aber andere Aspekte des Spiels doch auch ändern.

Wenn man Frauen gar nicht mehr so sehr als Frau sieht, und Männer gar nicht mehr so sehr als Mann, das wäre öde.
Das wäre eine Hippiephantasie.

Wohl eher eine Alice-Schwarzer-Phantasie. Eine Hippiephantasie wäre: Sex mit allerlei netten Menschen ohne Besitzansprüche, aber ich frage dich: Ist das realistisch?
Kann ich dir später sagen, aber jetzt fängt der Film gleich an.

Titel?
"Wers glaubt, wird selig".

In diesem Sinne.