Warten auf... die Jubiläumsausgabe

Verfasst am: 25.08.2012 | Autor: Marcus Ertle

Warten auf...

...die Jubiläumsausgabe.

Willy Astor, oder Jean-Jaques Rousseau, sagte mal: Die Zeit ist wie ein rollendes Fass! Das ist tatsächlich wahr, "Warten auf..." gibt es jetzt seit einem Jahr, seit einem Jahr auf der flanierenden wöchentlichen Suche nach zufälligen Interviewpartnern, wie die Zeit vergeht. Das erste Zufallsinterview fand mit Ibrahim K. statt, heute, ziemlich genau ein Jahr später, treffe ich ihn wieder zum Jubiläumsinterview.

Warten auf...

...die Jubiläumsausgabe.

Willy Astor, oder Jean-Jaques Rousseau, sagte mal: Die Zeit ist wie ein rollendes Fass! Das ist tatsächlich wahr, "Warten auf..." gibt es jetzt seit einem Jahr, seit einem Jahr auf der flanierenden wöchentlichen Suche nach zufälligen Interviewpartnern, wie die Zeit vergeht. Das erste Zufallsinterview fand mit Ibrahim K. statt, heute, ziemlich genau ein Jahr später, treffe ich ihn wieder zum Jubiläumsinterview.

Was für eine Ehre!
Ibrahim: Was denn?

Na, dass die Jubiläumsausgabe mit dir stattfindet.
Ja, das ist mir schon bewusst, wobei ja jeder Mensch nur eine Spielart der Menschen an sich ist.

Völlig neu kann man sich als Mensch schwer erfinden, war alles schon mal da, hm?
Menschen versuchen sich in besonderen Sachen, ja, aber ob das der Sinn des Lebens ist?

Der gute alte Lebenssinn.
Das war bei unserem Interview damals auch ein Thema, glaube ich, ich denke, der Sinn ist, Gerechtigkeit für alle zu verwirklichen.

Geht nicht, gibt’s nicht, würden da manche spontan sagen.
Wieso nicht?

Na, nehmen wir ein Beispiel, zwei Frauen wollen einen Mann, aber er nur eine Frau, es gibt also mindestens einen Verlierer.
Wenn wir in einer Gesellschaft der Verbrüderung leben würden, wäre das möglich.

Man kann Leidenschaft nicht erzwingen.
Aber eine Beziehung besteht aus mehr, Freundschaft kann in vielen Fällen erfüllender als Sex sein.

Und vor allem länger.
Das auch.

Bist du glücklich?
Von Zeit zu Zeit, sagen wir von Tag zu Tag. Das Gefühl, an etwas gebunden zu sein, was in uns lebt, aber uns selbst übersteigt.

Ich kann mich erinnern, dass du vor einem Jahr in eine Frau verliebt warst, schwarzes Shirt, blaue Hose. Hat sich da was ergeben?
Stimmt. Die Farben waren andersrum, aber ich habe sie nie mehr gesehen.

Vielleicht liest sie es ja diesmal.
Ich bin weiter auf der Suche in jedem Menschen nach einer erfüllenden Begegnung, im anderen Menschen sich selbst erkennen.

Aber es gibt doch auch den Wunsch nach Verschmelzung.
Das habe ich natürlich nicht aufgegeben.

Sonst neue Erfahrungen gemacht?
Ich habe erfahren, dass auch Frauen, die aus dem künstlerischen Bereich kommen, auf diese geldmäßigen Werte bei der Partnerwahl achten.

Dabei heißt es in den alternativen, kreativen Kreisen doch immer: Scheiß Materialismus!
Das war wohl eine andere Epoche.

Nein, nein, ich rede von der Gegenwart, das gehört doch in der Szene zum guten Ton.
Das mag für ein paar Monate oder Jahre gut gehen, aber wenn dann das Thema Kind im Raum steht, ändert sich das.

Das macht vielleicht die biologische Uhr.
Ich will das nicht biologisieren und verallgemeinern, wenn es eine richtig gute Beziehung ist, kann es auch anders laufen.

Bist du seit dem letzten Mal ernüchtert?
Ja, in gewissen Dingen bin ich ernüchtert. Ich muss zwischen meinen Idealvorstellungen und den wirklichen Verhältnissen unterscheiden. Aber ich habe nicht resigniert, im Gegenteil, ich sehe meine Idealvorstellungen jetzt differenzierter.

Nenn mal eine Idealvorstellung in der Praxis.
Wenn mich meine Neffen und Nichten fragen, ob ich Türke oder Deutscher bin, dann sage ich: Weder noch, ich bin ein Mensch. Deutscher sein, oder Türke sein ist eine Sprache, aber keine Eigenschaft.


Es ist aber schon eine Identität.
Du kannst es erlernen oder verlernen.

Dein Ideal wäre dann eine Welt ohne nationale Identitäten.
Das lebe ich so gut ich kann und bin dadurch freier geworden gegenüber anderen Menschen, egal, welche Hautfarbe oder Religion sie haben. Religion sollte z.B eine Art Sockelstein sein, auf dem man steht, man sollte aber weitergehen.

Wohin?
In die Gegenwart.

Und dann?
In die Begegnung und den Austausch.

Und dann?
Dann zeigt sich das Sein in seiner schrecklichen Schönheit.

Beispiel für schreckliche Schönheit, bitte.
Die kindliche Vorstellung, dass alles, was man nicht sieht, nicht existieren könnte.

Schöne Menschen sind auch oft schrecklich.
Ich kann mir vorstellen, was du meinst, dieses Ausgeliefertsein vor dem, was man begehrt. Es wäre gut, wenn man sich von dieser körperlichen Abhängigkeit löst.

Ist das erstrebenswert?
Ja, dann befreit man den, den man begehrt von dem körperlichen Zwang.


Kann aber sein, dass das dem Anderen gar nicht recht ist.
Das muss der Andere ja nicht wissen.

Aber wir sind gierig.
Das kann man in der Zivilisation überwinden.

ie Zivilisation ist doch total brüchig, lass mal eine Hungersnot ausbrechen, dann hast du Mord und Totschlag.
Aber heute erlebe ich da schon eine Gelassenheit, eine kulturelle und gesellschaftliche Verfeinerung.

Aber wir spielen doch oft nur Rollen, wir lachen aber sind traurig, wir geben uns zuversichtlich aber haben Angst, wir tun bescheiden, aber halten uns für genial.
Das sind im Grunde Schmerzmittel, ich würde nicht sagen, dass das gespielt ist. Um eine Situation nicht schlimmer zu machen, verhalten wir uns so genormt, eine Art Deeskalationsstrategie.

Willst du nicht manchmal die Wahrheit laut rausschreien?
Das hatte ich früher, als ich noch Gedichte schrieb.